Lauda und Oberlauda
Lauda
1505 verkaufte der Heidelberger Pfalzgraf Philipp das Amt Lauda an den Würzburger Bischof von Bibra. Lauda wurde damit zur Amtsstadt im Hochstift Würzburg. Die Pfarrstelle blieb allerdings bei der Universität Heidelberg und war so außer Kontrolle des Würzburger Bischofes. Um 1515 wurde Magister und Baccalaureus Lienhart Beys Pfarrer in der St. Jakob-Kirche. Seine Predigten gaben den aufstandsbereiten Laudaer das geistige Unterfutter und Rüstzeug. Leere Kirchenbänke wie heute gab es unter Pfarrer Lienhart Beys nicht: "Die Kirche St. Jakobus war gefüllt bis zum letzten Platz." (Karl Schreck, Lauda, Schicksale einer ehemaligen fränkischen Oberamtsstadt, Lauda 1973, S. 210).
In Lauda hatten die Predigten von Pfarrer Lienhart Beys in der St. Jakob Stadtkirche bei vollen Kirchenbänken schon lange offene Ohren gefunden. Seine reformfreudigen Worte fanden bereitwillige Aufnahme und Zuspruch unter den Bauern. Bei der Versammlung der Bauern und Häcker im benachbarten Schüpfergrund, am Sonntag Laetare, den 26. 3. in Ober- und Unterschüpf, waren Bauern, Häcker und Bürger aus Stadt und Amt Lauda zahlreich vertreten. In der Woche darauf verbreitete sich die Aufstandsbotschaft recht rasch im Amt Lauda.
Am Sonntag danach wurde der Grundstein für den Aufstand im Amt Lauda gelegt: "Am Sonntag, den 2. April hatten sich die Bauern aus der Laudaer Gegend in Gerlachsheim getroffen. Dabei waren auch einige, die in Oberschüpf am Sonntag vorher dabei gewesen waren. Aus Lauda waren es 40 Bürger. Nach ihrer Rückkehr gab es ein Rumoren auf dem Marktplatz. Der Amtskeller begab sich mit dem Schultheißen und dem Bürgermeister dorthin. Da standen einige mit Stangen, schlugen wild um sich und schrien: 'Wo ist unser Oberhand, die Fried gebietet.' Es gab einige Verwundete. Es war unruhig in der Bürgerschaft, und am nächsten Tag herrschte Leben und Zechen in den Wirtschaften.
Der Amtskeller Konrad Alletzheimer ließ Schultheiß, Bürgermeister und Rat kommen und setzte ihnen auseinander, welche Guttaten die Stadt Lauda vom Fürsten empfangen habe: die Juden seien aus dem Amt gewiesen und jeder Wucher somit beseitigt; der Witwen und Waisen habe sich der Bischof besonders angenommen; das Umgeld habe er um 60 Gulden gebessert, wegen der Lese im Herbst seien durch die Maßnahmen des Fürsten große Summen der Stadt überkommen. Bürgermeister und Rat beteuerten ihre feste Ergebenheit. Der Amtmann selbst hatte Lauda verlassen und, da er Meuterei befürchtete, im Schloß in Oberlauda Aufenthalt genommen." (Karl Schreck, Lauda - Schicksale einer ehemaligen fränkischen Oberamtstadt, S. 209)
Auch der Verlauf der Erhebung im Amt Lauda ist typisch: Nach ersten Unmutsbezeugungen der Bauern und Häcker im Amtsbereich ziehen diese in ihre Amtsstadt, bekommen dort zahlreiche Unterstützung von den dortigen Häckern, Kleinbauern und unterbäurischen Schichten, wodurch ein permanenter Unruheherd in der Amtsstadt selbst entsteht. Unterstützung finden sie zudem bei vielen begüterten Bürgern, u. a. Wirte, Müller. Die konservative Oberschicht der Amtsstadt, Schultheißen und Bürgermeister, Räte sowie jeweilige ortsniedergelassene fürstliche Beamte (Amtmann, Amtskeller, Vogt etc.) versuchen zu beschwichtigen, den Aufstand niederzuhalten. Dies führt zu einer weiteren Radikalisierung, in deren Folge die Bürgerschaft mehr oder weniger schnell auf die Seite der Bauern übertritt, die Amtsleute ihr Heil in der Flucht suchen. Die eher konservative alte städtische Oberschicht versucht dennoch, das Stadtregiment in ihren Händen zu behalten, oder mit neu gewählten Haupt- und Amtsleuten der Bauern wenigstens zu teilen. Die Zehntscheunen, Amtskeller und Getreidekasten werden in die Obhut der (neuen) Stadtregierung genommen. Bei den Hauptleuten der großen Bauernhaufen wird nachgefragt, wie in der Verteilung der Vorräte, in der Bezahlung der aufgestellten Fähnlein, in der Frage des Ablöseverfahrens der Fähnlein, die Stadt, das Amt, sich verhalten soll. Dennoch kommt es in den Städten immer wieder zu Unruhen der oft hitzköpfigen Häcker, denen alles zu langsam voranzugehen scheint, die mit dem konservativen alten städtischen Regiment und deren Anordnungen nicht übereinstimmen.
Am 4. April traf von dem ebenfalls im Aufstand befindlichen benachbarten würzburgischen Amt Bütthart, das mit seinen ackerbaulich geprägten Orten einen eigenen Haufen gebildet hatte, in Lauda die Aufforderung auf, sich zu rüsten, zu ihnen zu ziehen und auf Einhaltung des Evangeliums zu drängen. Am 5. April versammelte sich der Taubertaler Haufen vor dem Kloster Schäftersheim, Bauern aus allen Taubertaler Ämtern strömten ihm zu. Das ebenfalls würzburgische Amt Röttingen, direkt dem Kloster benachbart, tritt auf Seiten der Bauern über. Ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen Lauda und dem Bauernhaufen, mit dem Bischof in Würzburg, mit den benachbarten Ämtern in Grünsfeld, Röttingen und Bütthard, beginnt. Am 5. April meldet der Amtskeller vorschnell dem Bischof die Treue der Laudaer, denn "Lauda beginnt zwischen Treue und Aufruhr zu wanken. Die neue Botschaft fand begierige Aufnahme. In der Stadtkirche sprach Pfarrer Lienhart Beys, den die Universität Heidelberg nach Lauda gesetzt hatte. Seine Predigten und Ermahnungen waren der Bauernbewegung förderlich und dienlich." (Karl Schreck, Lauda - Schicksale einer ehemaligen fränkischen Oberamtstadt, S. 210)
Auch die Einwohner von (Groß)Rinderfeld, das zur Hälfte in das mainzische Amt (Tauber)Bischofsheim gehört, werden von Lauda kontaktiert. Am 8. April ermahnt der Würzburger Bischof, informiert über die Briefwechsel, die Bürgerschaft von Lauda. Diese gibt zwar zu, sie hätte 100 Mann aus Stadt und Amt zum Haufen geschickt, aber nur um die fürstlichen Getreidekästen zu schützen. Zudem würden sie nichts anderes begehren, als das hl. Evangelium mit ihren Nachbarn zu sichern. Allerdings seien Oberlauda, Heckfeld, Gerlachsheim, Marbach und Balbach zum Bauernhaufen übergegangen.
Am 9. April richteten der Würzburger Hofmeister Sebastian von Rotenhahn, der Marschall Heinrich Truchseß und einige Ritter (Cunz von Rosenberg, Graf Wolf von Castell, Silvester von Schaumburg) mit einem schaurig-drohenden Beginn Verhandlungsworte an Lauda: "Wir zeigen Euch an, daß der Schwäbische Bund mit 2000 Reisigen und 10 000 Knechten die Bauern bei Ulm niedergeworfen, etliche Tausend erstochen und in der Donau ertränkt. Nun hat er sich gegen Riedlingen gewandt, wo zu erwarten ist, daß es den dortigen ähnlich gehen wird. Am 8. April hat nun der Bischof von Würzburg den vor Mergentheim liegenden Bauern erboten, alle ihre Beschwerden zu prüfen und nach Billigkeit abzustellen, keine Strafe und Ungnade ihnen zu zeigen, wenn sie nach Hause gehen. Zinsen und Gült sollen so lange unbezahlt bleiben, bis die Beschwerden abgestellt seien. Zugleich haben mehrere Herren, Grafen, Ritter des fränk. Adels zu ihnen geschickt und angezeigt, daß sie in Würzburg versammelt seien, wo der Bischof Abschaffung der Beschwerden zugesagt habe, daß sie aber bereit seien, ihrem Herrn die Treue zu halten. Das alles möchten die Laudaer doch bedenken, ihrer Weiber und Kinder gedenken und nicht als erste Stadt von ihrem Herrn abfallen." (Karl Schreck, Lauda - Schicksale einer ehemaligen fränkischen Oberamtstadt, S. 210)
Die massive Drohung kam zu spät, denn am 9. April schickte der Laudaer Amtmann Philipp von Riedern, eingebunkert in Oberlauda, seinem Bischof nach Würzburg die Botschaft, daß Lauda abgefallen sei und er sich auf die Verteidigung des Schlosses einrichte und bat um militärische Verstärkung, die er allerdings nicht erhielt. Am 12. April trafen vor Lauda einige Fähnlein der Bauernhaufen sowie Hauptleute ein und wurden in die Stadt eingelassen. Der Bauernhaufen, der auf der Tauberwiese lagerte, erhielt aus dem fürstlichen Amtskeller 21 Eimer Wein. Danach flüchtete auch der Amtskeller Alletzheimer nach Boxberg. Am 14. April begann die Erstürmung des Schlosses Oberlauda, die am 15. mit der Zerstörung und der Gefangennahme des Amtmanns und einiger Adliger endete (siehe dazu Oberlauda).
Am 17. April meldeten die Laudaer an den Taubertaler Haufen, daß der örtliche Haufen des Amtes Lauda sich auf 429 Mann belaufe. Am 19. April übernahm der örtliche Haufen
die herrschaftlichen Keller und Getreidekästen. Für den Taubertaler Haufen wurde zur Versorgung Brot gebacken, Getreide an Bedürftige der Gemeinde verteilt.
Der Bauernhaufen ernannte Hauptleute - Vorgehner genannt - vorort, die die Amtsmannfunktion übernahmen und die Aktionen der lokalen Bauernfähnlein, die Abrißkommandos, koordinierten: "...Um aber die Zerstörungsarbeit besser durchführen zu
können und auch die zu Hause zrückgebliebenen Bauern zu organisieren, wurde am 5. Mai von der Oberleitung des Tauberhaufens bekannt gegeben, 'daß sie Hans Senglein und Bastian Korn, beide Bürger zu Lauda, verordnet und als Vorgehner des Amtes Lauda eingesetzt haben'. Diese Vorgehner waren nun Verwalter des Amtes und zugleich Hauptleute der noch in den einzelnen Dörfern verbliebenen Bauern. Ein gleiches Los wie Messelhausen traf in den ersten Maiwochen auch das Kloster Gerlachsheim, die Schlösser zu Grünsfeld, Krensheim und Krautheim." (Karl Hofmann, Der Bauernaufstand im Badischen Bauland und Taubergrund 1525, Karlsruhe 1902, S. 38f.) Weitere Ziele der Laudaer Abrißtruppe waren die Schlösser in Boxberg und Schweigern, weswegen sie die Bürger von Tauberbischofsheim um Mithilfe anfragten.
Am 20. Mai erhielt der Hauptmann von Lauda, Hanns Symplein (Senglein) den Auftrag, das Taubertal wegen des herannahenden Schwäbischen Bundes zu rüsten. Die Städte an der Tauber wurden zudem vom fränkischen Haufen aufgemahnt. Einige Tage später marschierte Hauptmann Senglein mit der Hälfte seiner Mannschaft, mit Büchsen und Spießen bewaffnet, nach Krautheim, wo sich Teile des fränkischen Heeres sammelten, um den zurückgedrängten, zahlenmäßig geschrumpften Odenwald-Neckartaler Haufen zu verstärken. Von dort aus mußten sich die Bauern nach Königshofen zurückziehen, das sie am 1. Juni erreichten.
Am 2. Juni beendete die Schlacht von Königshofen Taubertäler Leben und Hoffnungen.
Die Stadt Lauda mußte dem Schwäbischen Bund die Tore öffnen. Am 3. Juni wurden der Stadtpfarrer Lienhart Beys und zwei weitere Bürger auf den Tauberwiesen enthauptet. Am 20. und 21. Juli traf Lauda die Enthauptungsstrafaktion des Würzburger Fürstbischofs.
Hingerichtet wurden: Hans Mengelein von Lauda, Wolff Eckart, Hans Wirsing aus Oberlauda, Hans Seytz, Hans Hagen, Alexander, Hans Ludell, alle aus Heckfeld, Hans Ruger aus Bütthard. Die Laudaer Bürgerschaft verlor ihre Freiheiten und Rechte. Am Samstag nach Egidi 1528 dankten die Gemeinden Lauda, Distelhausen, Gerlachsheim, Oberlauda, Heckfeld und Marbach dem Bischof Konrad von Thüngen, weil er die Ungnad wieder abgewandt, welche sie sich durch den Bauernkrieg zugezogen hatten und versprachen Gehorsam.
Sandsteinkreuz von 1593 auf der Tauberbrücke
In Lauda sollen Bildstöcke an den Bauernkrieg 1525 erinnern. Das Sandsteinkreuz von 1593 auf der Tauberbrücke könnte Teil späterer Erinnerungsarbeit an den Bauernkrieg sein: "Auf der zwischen 1510 und 1512 erbauten Laudaer Tauberbrücke fordert ein weiteres Monument zum Verweilen auf. Diesmal ist es ein übermannsgroßes steinernes Kreuz aus dem Jahre 1593, um das sich Legenden im Zusammenhang mit dem Bauernkrieg ranken. So soll dem Steinmetz einer der Bauern aus der Umgebung Vorbild gewesen sein für die Figur des Gekreuzigten. Möglicherweise hat er damit der Geschichte Rechnung getragen, die im Volksmund besagte, daß just an der Stelle des Steinkreuzes im Juni 1525 Florian Geyer eine aufrüttelnde Rede zu seinen vom Truchseß gejagten Gefolgsleuten gehalten haben soll. Mehr noch, die Legende weiß, daß Geyer sich dabei an ein Steinkreuz angelehnt hat, wie der fränkische Dichter Anton Schnack berichtet. Nur, um das heutige Kreuz kann es sich dabei nicht gehandelt haben. Wie die Jahreszahl ausweist, ist es fast 70 Jahre jünger, doch was heißt dies an dieser Stelle schon. Wichtiger erscheint, daß sich mit dem Monument des 16. Jahrhunderts ein Stück Bauernkriegsgeschichte über Jahrhunderte hinweg erhalten hat, wie es sonst im deutschen Südwesten selten genug der Fall ist." (Klaus Herrmann, Auf Spurensuche. Der Bauernkrieg in Südwestdeutschland, Seite 189/190) Florian Geyer war nicht auf dem Turmberg anwesend. Er hat also nicht vor und auch nicht nach der Schlacht "gepowert", um den Widerstand zu heben. Man kann Klaus Herrmann zustimmen, das auch solche steinerne Zeugnisse Erinnerungen an die Bauernkriegsgeschichte dieser Region, an den 2. Juni 1525 festhalten. Möglicherweise über Jahrhunderte hinweg. Hier im Laudaer Talbereich häufen sich Kleindenkmale, die Bauernkriegsgeschichte in Geschichtchen weitertragen.
Lienhart Beys Bildstock / Hans Schmidt Bildstock von 1625
Dieser Bildstock von 1625 gegenüber dem Sportheim des FV Lauda soll an den nach der Schlacht enthaupteten Stadtpfarrer Lienhart Beys gedenken: "Unweit der Tauberbrücke erinnert dieser barocke Bildstock mit der Pieta (Schmerzhafte Mutter mit Leichnam Christi) und der Jahreszahl 1625 an ein historisches Ereignis, das sich hundert Jahre zuvor zugetragen hatte. Er steht an der Stelle, die Hinrichtungsstätte für etliche Beteiligte am Bauernkrieg war, darunter den lutherischen Pfarrer Lienhart Beys zusammen mit zwei Laudaer Ratsherren. Sie wurden hier enthauptet nach der für die Bauern verlorenen Schlacht bei Königshofen durch Georg Truchseß von Waldburg. Andere Bauern verfielen einige Wochen später durch den Fürstbischof von Würzburg, Konrad von Thüngen, dem blutigen Strafgericht. Inschrift (heute nicht mehr lesbar): 'AD 1625 hat der ehrbar / Hans Schmidt Bürger / des Raths allhir dis Bildt ...' Das Bild umrahmen zwei trauernde Seraphine. Die Säule ist im Gegensatz zum Bild in gutem Zustand ... Heinrich Mohr meint, daß die Säule ursprünglich zum sog. Judenbrunnen in der Bachgasse gehörte, einem Ziehbrunnen mit zwei Säulen. Da im Laufe der Jahrzehnte der Gedenkstein an der Tauber durch häufige Überschwemmungen immer mehr verschwand, wurde er schließlich, halb eingesunken, im Jahr 1838 auf der früheren Säule des Judenbrunnens neu aufgerichtet." (Heimat- und Kulturverein Lauda, Bildstöcke, Kreuze und Madonnen, Lauda 1984). Auf dem Bildstock ist also kein direkter Hinweis auf Lienhart Beys finden. Auch kein indirekter. Einen Bildstock aufzustellen, der an Aufständische des Bauernkrieg erinnert, wäre auch kaum von den Siegern geduldet worden, die zudem am 3. Juni 1525 die Hinrichtung Lienhart Beys und zwei weiterer Bürger durchgeführt haben. Insofern trägt der Lienhart Beys Bildstock einen unsichtbaren, hinzu zudenkenden Subtext, der als lokales Wissen weitergetragen wurde.
Kreuzträger Bildstock von 1645 - Gefesselter Bauer
Dieser Bildstock am alten Weg Lauda - Marbach mit einer liegenden Person(mit Halskrause und Spitzbart) soll an eine Begräbnisstätte erschlagener Bauern und Bürger gemahnen:
Ein weiterer Bildstock, in der Fluchtlinie der vom Turmberg zu fliehen versuchenden Bauern, Bürger oder auch Prieseter gelegen, scheint ebenfalls auf die Schlacht vom 2. Juni hinzuweisen. Von der Bundesstraße in Richtung Bad Mergentheim steigt auf der linken Straßenseite ein asphaltierter Feldweg schräg über den Hang, heckenbewehrt in Richtung des Marbacher Neubaugebietes empor. Es handelt sich um den früheren Weg von Lauda nach Marbach. Kurz nachdem ein Feldweg linkerseits abbiegt, steht ein oft von Hecken, Sträuchern, Brennesseln verdeckter Bildstock von 1645 mit Jesus als Kreuzträger und unter diesem ein lang ausgestreckter Bauern. Der Bauer schaut auf den Boden, auf einer Hand liegend, die Beine übereinander verdreht, dabei eher schlafend wirkend, als warte er auf bessere Zeiten.
Dieser Bildstock ist Gegenstand verschiedener Interpretationen und unterschiedlicher Ortsbestimmungen. Für J. Berberich stand "...links vom Wege aus Marbach nach Messelhausen ... bis in die 70er Jahre noch ein Bildstock, welcher zu Füßen des kreuztragenden Jesus einen gefesselten toten Bauern zeigte...". (J. Berberich, Geschichte der Stadt Tauberbischofsheim und des Amtsbezirks, 1895, S. 103)
Dieser Meinung schloß sich Karl Hofmann an: "...So stand auch vor einigen Jahrzehnten links von dem Wege, der von dem Dorfe Marbach, nahe beim Schlachtfeld von 1525, nach Messelhausen führt, ebenfalls ein steinerner Stock, auf dem zu den Füßen des Gekreuzigten das Bild eines gefesselten, toten Bauern zu sehen war." (Karl Hofmann, Der Bauernaufstand im Badischen Bauland und Taubergrund, 1902)
Der Heimat- und Kulturverein weiß um den richtigen Standort des Bildstockes, führt aber zwei weitere Deutungen an: "Einen Kreuzträger in Reliefform (Kalkstein) enthält der Bildstock im Gewann Ilm am Feldweg nach Marbach. Der Rundbogenrahmen des barocken Steins wird von den Kreuzbalken überschnitten: außerhalb des Rahmens befindet sich reiche Ornamentik. Der obere Aufbau ist weggebrochen. Rätsel gibt die liegende Gestalt zu Füßen Jesu auf. Sie zeigt einen Schlafenden oder Toten mit Halskrause oder Spitzbart, was auf vornehme Herkunft hinweisen könnte. H.-P. Spönlein meint, daß dieses 1645 erstellte Bild auf einen Vorfall im Dreißigjährigen Krieg zurückgehe. Der Sage nach sollen aber auch an dieser Stelle im Bauernkrieg einige Anführer hingerichtet worden sein. Auf dem Medaillon ist von der stark verwitterten Inschrift nur noch zu lesen: 'ANO 1645 Lorenz ...'." (Heimat- und Kulturverein Lauda, Bildstöcke, Kreuze und Madonnen, Lauda 1984).
Die Halskrause spricht nicht für einen Bauern, eher für einen Bürger. Nun, der Begriff Bauernkrieg verdeckt die Breite der Aufständischen, verengt ihn sehr. Die DDR half sich mit frühbürgerlicher Revolution den Begriff des 1525 Aufstandes zu erweitern. Viele Priester waren in den Reihen der Aufständischen, bestimmten vorort den Verlauf des Aufstandes. Klar wurde der Bildstock im Stil des 17. Jahrhunderts gestaltet. Vielleicht also auch eine Erinnerung an einen vom Turmberg geflohenen aufständischen Bürger. Raum für Spekulationen ist hier vorhanden. Der Bildstock steht in auffälliger Nähe zum Ruhestätte-Gedenkstein an der Totenwiese. Auch die Dreikreuz-Kreuze, heute nicht mehr vorhanden, waren in nächster Nähe, wenn es auch unklar ist, ob im Zusammenhang mit dem 2. Juni 1525. Etwas weiter entfernt der Gedenkstein in Gerlachsheim. Ein auffälliger Häufungsbereich von Gedenksteinen, die mit Tod in Verbindung stehen, wenn der Zusammenhang mit 2. Juni 1525 zuträfe, mit gewaltsamen Tod.
Gedenkstein "Ruhestätte der im Bauernkrieg Gefallenen" auf der Totenwiese
"Gedenksteine - Einer steht zwischen Fluß und Hügel, hart an der Straße bei Lauda im Taubergrund, wer weiß wie lange schon. In manchen Jahren, wenn der schmelzende Schnee die Tauber über die Ufer treibt, überschwemmt ihn das Wasser und der Stein ist nicht mehr zu sehen. In schneereichen Wintern verschwindet er unter der weißen Decke. Wenn das Gras nach regenreichen Wochen aufgeschossen ist, ist der Stein fast im festen Gräsergewoge verschwunden.
Aber auch sonst sehen den Gedenkstein die meisten Menschen nicht, die auf der Straße, neben der er steht, vorbeikommen. Er wird aus einem Sockel aus rotem Sandstein gebildet und ist in verschiedene Stücke zerbrochen. Kein Wunder - jahrein, jahraus im Regen zu stehen, macht mürb und der Frost knistert jeden Winter in seinem Gefüge, bröckelt ihn ab und verzehrt ihn. Der mittlere Stein trägt eine stolze Inschrift, aber auch eine, die traurig und nachdenklich macht: 'Ruhestätte der Gefallenen im Bauernkrieg'. Das unterste Steinstück ist fast ganz in die Erde gesunken, Moos hat es bezogen, es ist grau von der Dauer der Jahrhunderte, blind und unscheinbar, und sicher ein Überrest derjenigen Gedenkanlage, die bald nach dem blutigen Gemetzel, wo die Blüte der Bauernschaft aus de Bauernschaft aus dem Taubertal in die Erde sank, Taubertal in die Erde sank, zum Gedächtnis gesetzt wurde." (Anton Schnack: Die Angel des Robinson)
Eines Tages war der Bildstock ganz aus der Flur verschwunden. "Durch Nachforschung fand A. Wöppel den oberen Teil dieses Bildstockes bei Niedrigwasser am Tauberrand und stellte ihn im Heimatmuseum sicher. Der untere Teil liegt vermutlich noch in der Tauber. Beide Bildstöcke wurden als Gedenksteine an den Stellen errichtet, wo nach der Schlacht von Königshofen am 2. Juni 1525 die geschlagenen Bauern bei ihrer Flucht talabwärts nach Lauda von Reitern des bündischen Heeres gestellt, eingekreist und niedergehauen wurden." (Heimat- und Kulturverein Lauda, Bildstöcke, Kreuze und Madonnen, Lauda 1984).
Das Laudaer heimatgeschichtliche Urgestein, sich gern als auch Heimatrebell einschätzend, hat versucht, den Gedenkstein in Holz nachzuschnitzen: "Der 85-Jährige hat nun diesen Torso nachgeschnitzt. Rechts und links hängen seitlich Trauerflore. Was das Symbol in der Mitte bedeutet, ist auch ihm bisher nicht bekannt. Der untere Teil des Bildstocks fehlt bis heute. Er liegt vermutlich immer noch in der Tauber. Allerdings, so erinnert sich Alfred Wöppel genau, befand sich dort die Inschrift "Am 2. Juni 1525 gefallene Bauern". Der Sockel des dreiteiligen Bildstocks ist ebenfalls verschwunden. Deshalb hat er ihn nun mit einem "Lageplan" und einer Beschreibung, wo der Bildstock einmal stand, ersetzt.
Übrigens: Einer mündlichen Überlieferung von seiner Großmutter (Geburtsjahr 1849) zufolge, soll ein beträchtlicher Teil der "abgeschlachteten Bauern" 1525 an der Stelle, wo der Bildstock 100 Jahre später zum Gedenken errichtet worden war, in die Tauber geworfen worden sein. Ihr Blut, so hatte es auch die Großmutter Alfred Wöppels schon von ihren Vorfahren mündlich überliefert bekommen, habe damals die Tauber bis Distelhausen rot gefärbt." (Thomas Schreiner: Alfred Wöppel hat verschwundenen Bildstock zum Gedenken an den Bauernkrieg reproduziert - Ein Abbild aus Holz gegen das Vergessen. Fränkische Nachrichten vom 2. Juni 2005).
Bei den Gedenksteinen in Lauda und Gerlachsheim ist die Frage zu stellen, woher das Wissen kommt, dass es sich hier um eine Begräbnisstätte im Zusammenhang mit dem 2. Juni 1525 handelt. Skelette wurden bisher nicht gefunden. Aktenunterlagen dazu gibt es nicht. Es handelt sich um unsicheres Wissen, überliefertes Wissen, interpretierbares Wissen. Beide Steine, in ihrem jetzigen Zustand zeigen keinen eindeutigen Hinweis auf 1525 in ihrer Gestaltung. Der Laudaer Gedenkstein ist allerdings äußerst bemerkenswert in seiner Form. Sehr ungewöhnlich. Der Grünbereich um den Stein wird als Totenwiese bezeichnet. Karl Schreck hat in seiner Laudaer Stadtchronik von 1973 die Totenwiese unter den Flurnamen aufgeführt (S. 37), leider ohne Angabe einer Erstnennung in den Archivalien.
Bildstock am alten Weg Lauda - Marbach, direkt an der Tauberbiegung. Der textliche Aufsatz stammt wohl aus dem Jahr 1925, wie beim Bildstock in Gerlachsheim. In den 1970er Jahre stürzte der Bildstock in die Tauber und konnte im trockenen Sommer teilweise aus der Tauber geborgen werden. Jetziger Standort Heimatmuseum Lauda - siehe weiter unten aktuelle Fotos des Gedenksteins. Im Heimatmuseum ist der Stein zudem anders herum aufgestellt worden, was nun an ein Sakramenthäuschen aus der alten Laudaer Stadtkirche denken läßt.
Von Carlheinz Gräter stammen weitere Beobachtungen zu diesem Gedenkstein:
"Auf einer Radfahrt hatte ich mir vor einigen Jahren vom Königshöfer Ratschreiber die Ortschronik zeigen lassen, zwei Finger dick von einem Säbelhieb zerschnitten. Hinterher war ich zufällig mit dem alten Ochsenwirt ins Gespräch geraten. Als ich das grünverblichene Festprogramm des Bauernkriegs-Jubiläums von 1925 aus der Tasche zog, war der Alte mit dem zwirbeligen Schnurrbart gleich Feuer und Flamme. Durch heckenüberwachsene Hohlwege stieg er mit mir zum Turmberg, dem Schlachtfeld des fränkischen Bauernkriegs, hoch. Herbstastern, zartstrahlig, violett, fleckten den Waldrand. Dann brockte der Wartturm, letzter Zeuge des Gemetzels, durchs Gebüsch, geborsten, überschattet von einer Schirmkiefer, die aus dem Schutt des Turmrunds wipfelte.
...
An der Laudaer Tauberbrücke erinnert ein Bildstock mit der Schmerzensmutter und der Jahreszahl 1625 an den Stadtpfarrer Lienhart Beys, der hier mit zwei Gesellen noch am Abend der Schlacht von Königshofen geköpft wrden ist. Ich hatte ein Photo aus den dreißiger Jahren bei mir, das einen von gotischem Krabbenwerk bekrönten Quader mit der neueren Inschrift 'Ruhestätte der Gefallenen im Bauernkrieg' zeigte. Der Gedenkstein, soviel wußte ich, ragte bis Kriegsende irgendwo zwischen Königshofen und Lauda in den Tauberwiesen auf, war dann aber nach 1945 spurlos verschwunden. Im trockenheißen Sommer des Jahres 1971 gab der Fluß ein Bruchstück frei, das heute im Heimatmuseum Lauda liegt. Als wir in Marbach einkehrten und das Photo dem Lammwirt zeigten, erinnerte sich der gleich. Ja, kurz vor der Pappelallee nach Lauda, wo die Tauber einen Bogen zur Talstraße schlage, da habe das Monument gestanden."
(Carlheinz Gräter: Blutbach, Sühnekreuz, Gedenkstein: In: Willi Habermann: Der Bauernkrieg im Taubergrund 1525 - 1975. Volkshochschule Bad Mergentheim. 1975, Seite 36 / 37)
In einem späten Werk kommt Carlheinz Gräter 2008 nochmals zu diesem Gedenkstein zurück:
"Ich gedenke derer, die für eine verworrene Sachse starben. Da starben bärtige Männer, denen bittere Fronarbeit unauslöschbar ins Gesicht gekerbt war. Da starben, von Reiterspießen mitten durch den Leib gestochen, die jungen Männer aus Gerlachsheim, Sachsenflur, Unterbalbach, Marbach, Königshofen und anderen Tauberorten. Sie trugen noch den Duft der gebündelten Gerste und die warme Bitterkeit des gestriegelten Viehs in ihren Kleidern und an ihrer Haut. Andere waren noch an Beinen und im Gesicht verschrammt, Narben, die sie sich beim Sturm auf die Würzburger Festung zugezogen hatten. Sie flohen vom Hügel ins Flusstal hinunter und hatten sich einen Weg durch den sommergefärbten Hafer gebahnt und dabei knatternde Ketten von Rebhühnern aufgejagt. Aber die Ritter, sonst geil auf die leckeren Vögel, sprengten mit eingelegten Spießen die 'Kistenfeger' und 'Seckelleerer', wie sie die Bauern und Bürger nannten, auseinander. Der Schnitter Tod säbelte sie mit höhnischer Grausamkeit nieder."
(Carlheinz Gräter und Jörg Lusin: dem got genat. Steinkreuz und Bildstock in Kunst und Literatur. Würzburg 2008, Seite 93/95)
Alfred Wöppel hat zur Zackengestalt des Gedenksteines die Vorstellung, diese Zacken wären wie ähnlich hervorragende Dachzinnen wie in Italien Erkennungszeichen, ob der Hauserbauer für Papst und Rom oder dagegen ist. Im Zuge des Bauernkrieges also die Frage für eine Reformation der Kirche, der Geistlichkeit oder für Beharrung der alten Kirche, also für Rom. Also eine klare Eindeutigkeit in der Botschaftsaussendung dieses erstaunlichen Gedenksteines, der damit keine weitere aussagekräftige Symbolik oder Inschrift bräuchte. Die auffällig andersseiende Form ist der sprechende Inhalt, die klar visuell wahrnehmbare Aussage. Würde erklären, warum dieser kleine Gedenkstein in seiner inhaltlichen Gestaltung so auf auffällig Äußeres reduziert ist. Carlheinz Gräter identifiziert gotisches Krabbenwerk. Also Blätter- und Blumenschmuck, Welkblätter. Schmuckflora wie zur Trauer angebracht. Und Trauer soll der merkwürdige Gedenkstein übermitteln. Die Trauer über die Niederlage bäuerischer, bürgerlicher Hoffnungen auf Besserung ihres Lebens. Die Trauer über die fürchterliche Niederlage auf dem Königshöfer Turmberg. Trauer über den verächtlichen Umgang mit den Toten und Hingerichteten. Denen ein christliches Grab auf dem Friedhof verwehrt wurde. Die an der Stelle des Gedenksteines verscharrt wurden oder gar einfach in die Tauber geworfen, um die toten Körper zu entsorgen. Alfred Wöppel hat das gotische Krabbenwerk als Trauerflore verstanden, wenn auch ihm nicht klar wurde, was das säulenartige Symbol in der Mitte darstellen soll. Ein kleiner Gedenkstein an einer Tauberbiegung. Der mehr ausspricht als ihm zu sprechen erlaubt war. Einen Gedenkstein zu errichten mit einer klaren parteiischen Stellungnahmen zugunsten der Aufständischen im Bauernkrieg 1525 war undenkbar in einer von den würzburgisch-bischöflichen Siegern beherrschten Amtsstadt wie Lauda. Die Lösung einer Erinnerung an die Opfer konnte nur in einem unauffälligen Gedenkstein sein, der ohne offen anklagende Inschrift und Gestaltung die Trauerbotschaft über die Ermordeten übermittelt. Dies ist dem kleinen Gedenkstein über Jahrhunderte gelungen, bis ihn verantwortungslose Knallchargen beim Versuch Bauschutt abzulagern in die Tauber hinab beförderten und beschädigten. Reste konnten zwar von Alfred Wöppel geborgen und ins Heimatmuseum der Stadt gebracht werden. Seine wichtige Erinnerungsfunktion an die inzwischen abseitige Begräbnisstätte an diesem Ort an der Tauberbiegung hat er aber verloren. Er wurde unsichtbar. Das ihn inzwischen herbergende Heimatmuseum zudem seit langer Zeit geschlossen und damit nicht zugänglich. Die Stadt Lauda-Königshofen würde sehr gut daran tun, zum Jahr 2025, zur 500jährigen Wiederkehr der Bauernkriegsereignisse eine Replik des Gedenksteines an der Originalerrichtungsstelle zu platzieren, um damit sowohl den erschlagenen oder hingerichteten Bauern, Bürgern und Priester zu gedenken, aber auch ihres eigenen Heimatsohnes Alfred Wöppels und dessen Bemühungen und Erinnerungen an diesen für die Heimatgeschichte so wichtigen Gedenkstein. Notwendig dabei auch, eine Erinnerungstafel an diesen so selten wichtigen Gedenkstein zu erstellen ebenso Hinweisschilder, denn heute führt kein Pfad mehr an diese geschichtlich bedeutsame Stelle am Tauberufer. Die 500jährige Wiederkehr des Bauernkrieges ist auch eine Herausforderung an die öffentlichen Funktionen und Ämter, der geschichtlichen Situation gerecht zu werden. Ob das gelingt, wird sich zeigen.
WICHTIGER NACHTRAG zu diesen Ausführungen 08. September 2024 -> siehe weiter unten der Überschrift "Besuch am 8. September 2024 (Tag des offenen Denkmals) im Heimatmuseum Lauda"
Werfen wir trotz aller bisherigen Ausführungen noch einen vertiefenden Blick aus anderer Perspektive auf die wichtigen Bauernkriegsbildstöcke von Lauda und Gerlachsheim. Also dem Lienhart Beys / Hans Schmidt Bildstock von 1625, dem Gedenkstein "Ruhestätte der im Bauernkrieg Gefallenen" auf der Laudaer Totenwiese direkt an der Tauber, dem Gerlachsheimer Bildstock "Ruhestätte der Gefallenen im Bauernkrieg am 4. Juni 1525. Allen drei Bildstöcken ist gemein, dass sie keinen üblichen steinernen Schaft mehr haben, möglicherweise auch nie hatten. Eventuell auch nur eine größere Steinplatte, auf der sie ruhten. Der Lienhart Beys Bildstock sitzt zwar auf einer Säule, die aber erst 1838 unter ihm angebracht wurde. Also ein gemeinsames Merkmal dieser bedeutenden Bildstöck ist, dass der für Bildstöcke übliche Steinschaft fehlt! Das ist sehr auffällig. Bemerkenswert, vor allem aber bedenkenswert. Hatten die Bildstöcke ursprünglich einen Steinschaft? Der mit der Zeit verloren ging? Als die Schweden im Taubertal waren, machten sie sich auch in zerstörerischer Weise über Bildstöcke her. Die beiden Laudaer Bauernkriegsbildstöcke standen direkt in der Nähe der Tauber. Waren also sehr vielen Überschwemmungen ausgesetzt. Hätte man im klaren Bewußtsein dieser Überschwemmungsgefahr Bildstöcke niedrig auf dem Wiesenboden aufgestellt, die dann sehr oft mit Schlammsedimenten, Schwemmstoffen verschmutzt wurden? Und einer besonderen Zerstörungsgefahr ausgesetzt? Bildstöcke werden bewußt gesetzt, sind quasi freie Außenkirchen, religiöse Stellen im Freien. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch zu schätzen, dass auch die Bauernkriegsbildstöcke ursprünglich, also zurzeit ihrer Aufstellung, einen steinernen Schaft hatten. Und dieser Steinschaft wird sehr oft für informative Inschriften genutzt, die den Zweck und Sinn der Bildstockaufrichtung erläutern.
In der Großrinderfelder Gemarkung gibt es in Richtung Gerchsheim, Würzburg das Gewann Bögnersbild. Der Bildstock am Bögnersbild aber gibt keinen direkten Hinweis auf einen Bögner, sondern weist zwei andere Namen (Veit und Sengel) als Bildstocksstifter aus. Zurzeit der Bildstockaufrichtung, 1625, waren die Bögner in TauberBischofsheim auch noch keine Weinhändlerdynastie, wie in späteren Jahrhunderten. Der originale Steinschaft dieses Bildstockes ist allerdings nicht mehr vorhanden. Der Bildstock ist inzwischen im Tauberfränkischen Schloßmuseum in Tauberbischofsheim untergebracht. Eine Kopie steht - wenn auch an anderer Stelle - in der Nähe des Bögnersbildgewannes. Vermutet wird, dass auch auf dem steinernen Schaft des sogenannten Bögnersbildstockes eine Inschrift vorhanden war, mit Bezug auf Bögner. Der sich wohl Räubern entgegen gestellt hat. Oder einer Großrinderfelder Sage nach hier überfallen wurde. Läßt sich die Bögnerische Namensgebung von Gewann und Bildstock ohne direkten Namens- und Sachbezug auf Bögner auch auf die Bauernkriegsbildstöcke übertragen? Daß eine ursprüngliche Inschrift auf den steinernen Säulen oder Platten der Bildstöcke verhanden war, die einen klaren Bezug auf den Bauernkrieg hatte, auf die Hinrichtungsstätte, auf die Beerdigungsstätten? Die steinernen Schäfte sind dann durch Beschädigungen verloren gegangen und damit der genaue Nachweis einer Bauernkriegsinschrift, so dass die Bauernkriegsbotschaft nur in mündlicher Überlieferung weiter leben konnte? Nicht beweisbar bisher, aber dennoch ein bedenkenswerter Aspekt, der leider bisher nicht genug bedacht wurde. Die Erinnerung an den Bauernkrieg ist auch heute noch immer wieder eine echte Herausforderung, um nicht der Herrschaftsgeschichte zuviel Platz zu verschaffen. Möglicherweise ist der Schaft beim weiteren vermutlichen Bauernkriegsbildstock "Kreuzträger Bildstock von 1645 - Gefesselter Bauer" nicht mehr der Originale - mit möglichem Verlust einer Inschrift.
Ehemaliger Standort des Bauernkriegskleindenkmals am alten Weg Lauda - Marbach, direkt an der Tauberbiegung, im Bereich Totenwiese
Besuch am 8. September 2024 (Tag des offenen Denkmals) im Heimatmuseum Lauda
Lange hat es gedauert, um eine Gelegenheit zu erhalten, den Gedenkstein "Ruhestätte der im Bauernkrieg Gefallenen" mal wieder im Original sehen zu können und vor allem auch fotografieren zu können. Damit wird einiges klar. Zum einen, was einen selbst betrifft, Selbst-Geschriebenes. Da ist einiges schlicht falsch. Z. B. an den Zacken-Zinnentheorien. Diese meine Ausführungen können entschädigungslos gestrichen werden. Auf dem falschen Weg unterwegs. Falsch abgebogen. Das waren mehr Notoperationen mit falschem Besteck und Ansatz. Wichtige Erkenntnis: Das Reichwein Foto des Steines aus den 1930er Jahren zeigt schon einen beschädigten, nicht mehr vollständigen Gedenkstein! Der Stein wurde also nicht nur in den 1970er Jahren beschädigt, sondern schon früher. 1925 hat man also schon nur noch ein Teilstück aufgestellt. Über der erst 1925 gefertigten Inschrift "Ruhestätte der im Bauernkrieg Gefallenen"! Ob diese fehlenden oder zerstörten Teile schon vor 1925 in die Tauber gefallen sind ist unklar. Vielleicht auch rettungslos zerschlagen und verstreut? Zudem wurde der Reststein schon 1925 verkehrt herum auf den Inschriftsstock montiert und hat damit zu jahrelanger, jahrzehnter langer Verwirrung beigetragen, wie der Stein nun herum gehört. Das hat sich auch in meinen Ausführungen bös niedergeschlagen. In die Irre geführt. Zu falschen theoretischen Ansätzen geführt. Zu schrottigen Erklärungsversuchen.
Laudemer Lokalgeschichtsexperten sind sicher, dass der Stein ursprünglich aus der ersten Kirche (13. Jhd) stammt und der Rest von einem von 2 gleichen Sakramenthäuschen ist. Es gäbe noch andere Reste der 1. Kirche in der heutigen Kirche und die wären auch exakt dieser Stil. Vom Stil her passt es durchaus ins 13-15 Jhd.. Nach dem Bauernkrieg wär es dann irgendwann (vermutlich nach dem Kirchenbrand im 17. Jhd.) als Gedenkstein für die Bauern umfunktioniert worden. Merkwürdig allerdings, dass die emporstrebenden Fialen hier rein verzierende Bekrönungen sind, aber nicht frei stehend ausgearbeitet, sondern mit der Hintergrundplatte gebunden geblieben sind.
Wenn der Bauernkriegsgedenkstein das Sakramenthäuschen der alten Kirche in sich aufgenommen hatte, dann trägt er auch indirekt eine Erinnerung an Lienhart Beys. Der hat in seiner Zeit als Pfarrer von Lauda die Monstranz mit der Hostie während der Messe aus dem Sakramenthäuschen herausgeholt und abschließend wieder hinein gestellt. Man kann sich also Lienhart Beys bei diesem Stein immer dazu denken.
Möglicherweise war das Sakramenthäuschen aber nur Teil des gesamten Bildstocks. Eventuell unter dem Sakramenthäuschen eine Inschrift angebracht. Oder auf dem Schaft. Die an den Bauernkrieg, an eine Begräbnisstätte erinnert. Oder an den Ort, an dem Leichen der Bauernkriegsschlacht einfach in die Tauber geworfen wurden. Zumal glauben Laudemer Lokalgeschichtskennende zu wissen, wo sich dieser Ort befand. In der Nähe des wieder in die Tauber einmündenden Mühlkanals.
Es gibt also viel zu forschen. Im Bezug auf dieses Bauernkriegsdenkmal vor allem kirchenkunstgeschichtlich. Und manchmal helfen günstige Momente wie ein Tag des Denkmals mit, neue Perspektiven zu finden.
Foto Hendrik Beierstettel
Foto Hendrik Beierstettel
Bildstock von 1515 Nährvater Josef - Ort des angedrohten durch die Spieße-Jagens des würzburgischen Amtmanns Philipp von Riedern durch den Bauernhaufen
Der gotische Bildstock von 1515 (früher mit dem Nährvater Joseph, Statue nicht vorhanden ebenso wenig die zweite Figur im Bildgefängnis (Eisernes Gittertor mit Schloss vor dem Bild) direkt neben dem Autoparkhaus, an der Ecke "Wehrgang" / "Bahnhofstraße", markiert einen wichtigen lokalen bauernkriegs-geschichtlichen Handlungsort. Hier stand dem nach der Eroberung der Burg von Oberlauda von den Bauern gefangen genommenen Amtmann von Lauda, Philipp von Riedern, ein "Durch-die-Spieße-Jagen" bevor. Dies wurde aber durch den Edelfinger Schultheiß und Bauern-Hauptmann Kunz Bayr (Cuntz Bayer) mit überzeugenden Worten verhindert.
Heimatmuseum Lauda
Heimatmuseum Lauda - zurzeit geschlossen. Es werden aber Führungen durchs Heimatmuseum, dessen Ausstellungsbereiche neu konzipiert wurden, nach Absprache durchgeführt: https://www.lauda-koenigshofen.de/kultur+_+freizeit/kultur/heimatmuseum Aufstellungsort des Bildstockes Ruhestätte der Gefallenen des Bauernkrieges. Nur noch bruchstückhaft vorhanden. Das Heimatmuseum in Lauda in einem ehemaligen Weinbauernhaus versammelt einige Gegenstände, die mit dem Bauernkrieg, dem Weinanbau und den damaligen Lebens- und Arbeitsverhältnissen in Verbindung stehen. Ein Diorama stellt mit Zinnfiguren den Auszug der Bauern nach Oberlauda zwecks Eroberung der Burg dar. Ein Modell der Stadt Lauda
verdeutlicht die städtebaulich-räumliche Situation um 1600, lässt heute verschwundene Gebäude modellhaft wieder auferstehen.
Herberge 1525 und Gaststätte güldener Stern
Gasthof goldner Stern, zuerst in der Ortsmitte ansässig, im Bauernkrieg 1525 als Herberge bezeichnet, seit 1572 zum güldenen Stern genannt, Standort am Marktplatzbrunnen
Standort ehemaliges würzburgisches Amtshaus
Das würzburgische Amtshaus lag in der Raumecke zwischen Kirche, Kapellengasse, Zehntgasse und der Stadtmauer am Kugelgraben. Der Hof mit dem Zentturm war Teil der Stadtbefestigung und wurde von den Mergentheimer Rittern von Sutzel erworben. Vorher war es vermutlich das Stadtschloß der Grafen von Rieneck. 1585 wurde der Hof mit seinen Gebäuden umgebaut. Im August 1917 brannte der Amtshof, der von vielen Eisenbahnerfamilien bewohnt war, bis auf die Grundmauern nieder. An der Hauswand eines heutigen Bauernhofes zur Kapellengasse sind verschiedene Wappen von Würzburger Fürstbischöfen und einige Amtmannswappen eingelassen.
Lienhart Beys, Stadtpfarrer von Lauda
Nichts gegen Jakobus dem Wandererheiligen, die Muschel unter den Heiligen, wir wollen Lienhart Beys in dieser Kirche predigen hören, auch wenn die in Nachfolgezeit zur Rekatholisierung barockisiert wurde. We want Lienhart Beys. Lienhart Beys is coming home. Lasst Lauda und Umgebung seine Predigten hören.
Thementag des Fränkischen Bundes zum Bauernkrieg in der Aula des Laudaer Gymnasiums 13. Juli 2024
Dem Anlaß gemäß fand am 13. Juli 2024 ein Thementag des Fränkischen Bundes zum Bauernkrieg statt.
Zwei Vorträge waren besonders auf den Bauernkrieg in Tauberfranken gerichtet:
Prof Dr. Rainer Leng Julius-Maximilians-Universität Würzburg:
Der Bauernkrieg im Hochstift Würzburg. Von der Belagerung der Festung Marienberg zur Schlacht bei Königshofen
Prof Dr. Helmut Flachenecker Julius-Maximilians-Universität Würzburg):
Der Bauernkrieg im Taubergrund
Professor Rainer Leng brachte den herausragenden Beitrag zum Sturm auf die Festung Marienberg, der neue Aspekte zum Belagerungsvorgang bzw. Verteidigung erbrachte. Leider wurde die Schlacht bei Königshofen kaum gestreift. Auch hier hätte man von wissenschaftlicher Seite her einen Beitrag quantitativ und qualitativ gleichberechtigt zur Belagerung der Burganlage auf dem Unserfrauenberg aus tauberfränkischer Sicht gewünscht.
Professor Flachenecker widmete sich entsprechend dem Referatthema einzelnen Vorgängen des Bauernkrieges im Taubertal. Dass sich der Turmberg nach der Schlacht vom 2. Juni 1525 zum weiteren Treffpunkt von Bauern in den Jahren danach entwickelte, der inneren Entwicklung des Taubertaler Haufens vom Beginn in der Rothenburger Landwehr beim Zug über das Vorbachtal ins Taubertal, der Erstürmung des würzburgischen Oberlaudaer Höhenschlosses und die christlich gestimmte Haltung des Bauernführers Contz Bayer. Leider verharrte auch Professor Flachenecker beim Thema, ohne tieferes Eingehen zum Schlachtgeschehen vom 2. Juni 1525, zeigte allerdings im Hintergrund eine vom Traum-a-land e. V. erstellte Schlachtskizze, ohne diese im Detail zu besprechen. Da spielten allerdings Zeitgründe mithinein, da der Transfer der Tagungsteilnehmer auf den Königshöfer Turmberg anstand. Insofern konnte die Universität Würzburg auch an diesem Tag keinen besonderen wissenschaftlich begründeten Beitrag zur Schlacht vom 2. Juni 1525 leisten, was sehr bedauerlich ist. Vielleicht ergibt sich in 25 Jahren wieder eine Möglichkeit, Professoren aus Würzburg nach Tauberfranken zu locken, um bisher Versäumtes zum 2. Juni 1525 oder auch zum 4. Juni 1525 (Sulzdorf / Ingolstadt) nachzuholen.
Professor Flachenecker beim Schluß seines Vortrages mit Zeigen einer Schlachtskizze des Traum-a-land e. V., ohne weiteres Eingehen auf die eingeblendete Nachzeichnungen der Schlachtvorgänge.
Am Nachmittag schloß sich eine Führung zum Schlachtort auf den Turmberg an (in zwei gesonderten Touren aufgrund der Teilnehmermenge):
Bernhard Geisler (Königshofen):
Der Schauplatz der Bauernschlacht vom 2. Juni 1525 (Führung auf dem Turmberg bei Königshofen)
Auf die Vorträge beim 11. Fränkischen Thementag "Der Bauernkrieg in Franken" am 13. Juli 2024 in Lauda geht Peter. A. Süß im Heft Frankenland 3 - 2024 ein.
Grundlage des Vortrages von Professor Flachenecker war sein Aufsatz: Helmut Flachenecker: Der Bauernkrieg im Taubertal. In: Gertrud Nöth / Monika Schaupp / Michael Pulverich (Hgg): Erforschen und Gestalten. Festschrift für Leonhard Scherg zum 80. Geburtstag. Marktheidenfeld 2024
Wie 1938 der kurzsichtige Schriftsteller Hans Fallada im neuen Auto als überagierender Beisitzer am Bauernkrieg im Taubertal vorbei fuhr
Die Familie des Schriftstellers Hans Fallada kam auf intensiven Wunsch des Sohnes zu einem Auto. Da Fallada sehr kurzsichtig war, übernahm die Ehefrau das nötige Erlernen des Autofahrens. Als die Ehefrau zu einer Kur nach Mergentheim, Bad Mergentheim, mußte, entschied man sich, die Fahrt nach Mergentheim mit dem neuen Auto anzutreten. Wer ein eigenes Auto hat, nimmt doch keinen Zug mehr. Man – also die Falladas – ist ja so modern. Man ist im Jahre 1938.
Auf der Kur in Mergentheim traf man auf eine alte Freundin der Ehefrau. Als diese ihren Aufenthalt in Mergentheim beendete, boten Falladas ihr an, sie zum Zug nach Lauda mit dem Auto zu fahren. Ein Blick auf den Fahrplan des Bahnhofes Mergentheim hätte vielleicht Optionen angezeigt, von dort mit dem Zug die kurze Strecke nach Lauda zu fahren, und dort umzusteigen. Aber Falladas wollten die heroische Moderne einer Autofahrt durch ländliche Umgebung demonstrieren, zelebrieren. Zudem wollte der beifahrende Schriftsteller, die nervende Freundin der Ehefrau, die ihn wegen seiner vorlauten Sprüche zur Ehefrau immer wieder piesackte, unbedingt loswerden. Da stellt man gerne das eigene Auto zur Verfügung. Lauda war den Falladas unbekannt, ebenso der Weg zum dortigen Bahnhof. Wer mit dem eigenen Auto anreist, verzichtet auf das Umsteigen im Bahnhof Lauda. Und wer in Mergentheim zur Kur ist, den zieht es eher nach Markelsheim. Denn das beste Wasser von Mergentheim ist der gute Wein vom nahen Markelsheim. So machten sich die Falladas mit der Freundin und eigenem Auto auf nach Lauda. Der Schriftsteller lobte anfangs der schnellen Fahrt noch das schöne Taubertal. Das sollte dann auch das letzte Lob dieses pittoresken Landschaftsbereiches an diesem Tag für einige Stunden sein. Sonntags war auch die müssige Zeit für die Ortsbewohner unterwegs zu sein. Wenn auch meistens eher im eigenen Ort. Bzw. eine kleine Tour um den eigenen Ort herum, dann konsequente Grüppchenbildungen an diversen Straßenecken, Plätzen. In diesen und späteren Jahren war das auf die Straßenschilder-Lehnen eine der wichtigsten Sonntagvor- und –nachmittags-Beschäftigungen. Der vorhandene Straßenverkehr war zudem noch ein geringer, so daß die ortsdurchführende Straße auch noch von Fußgängern genutzt werden konnte.
„Es war an einem schönen Sonntagmorgen, und wir wollten eine Freundin zur Bahn fahren. Der Ort, in dem diese mit zwei schweren Handkoffern bewaffnete Freundin die Bahn besteigen wollte, hieß Lausa – schon der Name hätte mich warnen sollen! Wir hatten diesen Ort noch nie gesehen, aber auf der Karte war er vorhanden. So fuhren wir ihm entgegen durchs schöne Taubertal und durch verwinkelte Ortschaften, in denen viel sonntäglich vergnügtes Volk auf der Straße war.“
Da Hans Fallada schwer kurzsichtig und ohne besondere Ortskenntnisse war, vertraute er seiner Kunst des Kartenlesens und seinem ehelichen Kommandogebens. Zwischen Königshofen und Gerlachsheim entdeckte er rechtzeitig die gerade Pappelallee nach Lauda. Die Angabe auf dem Richtungsschild las er dagegen sicherlich verkehrt. Denn 5 Kilometer ist da einiges zuviel. Oder meinte er die Abzweigung in Königshofen, wo die Taubertalstraße auf die Abzweigung Richtung Boxberg trifft? Wäre auch kilometermäßig zuviel. Allzu genau ist der übereifrige Richtungsgeber Fallada nicht. Einen Seitenblick auf die straßenbegleitenden Bildstöcke, Kreuze hat er nicht, erwähnt diese nicht. Auch nicht den Königshöfer Turmberg als Ort der Bauernkriegsschlacht von 1525. Ebensowenig die durchaus reizende bögige Tauberbrücke von Lauda. Bestückt mit Nepomuk und einem an Florian Geyer in einer Sage erinnerndem Brückenkreuz. Ebensowenig findet der Lienhart Beys Bildstock in direkter Nähe zur Unfallstelle seine Aufmerksamkeit. Der Gedenkstein "Ruhestätte der im Bauernkrieg Gefallenen" auf der Totenwiese war unter dem hohen Gras versteckt sowieso aus seiner kurzsichtigen Augenperspektive. Er ist so auf den Bahnhof, auf das unbedingte Erreichen des unbekannten Bahnhofes, fixiert, dass er auch keinen einzigen Blick auf bahntypische Merkmale wie aus der Landschaft heraushebende Bahndämme, schmale Unterführungen, hochsteigende Dampfkaskaden von Loks hat, um sich so zu orientieren. Auch den Bahnhof als solchen wird er weitgehend ignorieren, obwohl der flächenmäßig große Bahnhof von Lauda mit seinem imposanten Ensemble mit vielen Gebäuden sich deutlich von anderen Bahnhöfen unterscheidet. Da könnten einem beim Anblick schon Gedanken kommen, warum das so ist. Dem gestreßten Schriftsteller mangelt es an diesem Tage aber an der nötigen Distinktion, um das erreichte Lauda als eisenbahngeschichtlich, eisenbahnkulturell wichtigen Ort wahrzunehmen. Oder das Taubertal, Königshofen und Lauda als bedeutende Orte des Bauernkrieges 1525.
„An der richtigen Stelle, genau, wo es nach der Karte zu sein hatte, zweigte eine Nebenstraße ab. Einen Wegweiser gab es auch, „Lausa 5 Kilometer“ stand darauf
…
Unzweifelhaft liegt Lausa vor uns, wo es seinen Bahnhof hat, wird sich ermitteln lassen. Es ermittelt sich schon. Meine immer wachen Franz-Augen entdecken ein Schild „Zum Bahnhof“.“
Mit der scheinbaren Schildentdeckung nimmt das Falladasche Lausa-Syndrom seinen herben Lauf. Ein objektiv leicht erkennbarer, wenig genutzter Grasweg soll zum Bahnhof führen, der durchaus ein wichtiger Umsteigebahnhof ist? Dichterphantasie, im Stress mit der Autokarte, bricht hier jede Realität. Falladasches Chaos bricht innerhalb von wenigen Sekunden aus. Schnelle widersprechende Kommandos verwirren die getreue Ehefrau am Steuer, erst in der beginnenden Pionierphase des Autofahrens.
„Links!“ brülle ich Suse an, und links fährt die Gute.
Im gleichen Moment erkenne ich, daß meine immer wachen, aber mit Brille bewaffneten, trotzdem etwas kurzsichtigen Augen mich getäuscht haben. Nicht „Zum Bahnhof“ steht da, sondern „Zur Badeanstalt“. Und Suse hat das bekannte Dreipunktschild entdeckt: „Für alles Fuhrwerk verboten“.
„Rechts!“ brülle ich noch lauter.
Macht schon die Sicht auf das abzweigende Wegchen – heute die breite Einfahrt zu einem der Gewerbegebiete von Lauda - klar, dass das nicht der richtig eingeschlagene Weg zum angezielten Bahnhof ist, so verdeutlichen das eindeutig die angebrachten hinweisenden Schilder. Die der kurzsichtige Schriftsteller in seinem herrschsüchtigen Führergestus mißdeutet. Mit zu hohem Tempo landet Familie Fallada mit Auto und Freundin im hohen Gras einer saftigen Wiese. Das trübt erneut den angeknaxsten Realitätssinn des Schriftstellers, der fälschlicherweise die fehlleitende Direktfahrt durch das Grünland bedenkenlos forciert. Brüllt und antreibt. Ohne abgerufene Kenntnisse der typischen Anlage einer modernen Chausseestraße statt auf dem bekannten Wegchen die notwendige Rückkehr durch die bunt-grünende Wiese auf die Straße anstrebt. Dass eine Chauseestraße, eine Kunststraße also, immer auch von Entwässerungsgräben begleitet wird, wenn auch klein und fein, nícht allzu tief, aber für ein Auto, so neu es auch sein mag, ein beträchtliches Hindernis darstellt, entgeht dem schriftstellerischen Scharfsinn.
„Und tröstend, während wir schon rechts durch das Gras sausen. „ Es ist nur ein Grasgarten, wir sind sofort wieder auf der alten Straße“
Aber das Gras hat uns einen tiefen Graben verdeckt, der zwischen Garten und Straße liegt – rums sausen wir in den Graben!“
Das offene Grabendilemma wird zunächst genutzt, um die innerfamiliäre Kommunikation, verschränkt durch die bissigen Kommentare einer Freundin der Ehefrau, zu diskutieren. Die der armen Ehefrau konstatierte, dass diese eine gute Autofahrerin sei und erst durch die ehemännliche Kommandos, die zudem sich wiedersprechend, ein gewaltiges Chaos entsteht. Wie nun diese halbe Grabenüberquerung von zwei Rädern des Autos, während die beiden anderen frei über dem kleinen Graben sich befanden. Auch die ersten Selbsthilfemaßnahmen ging der bekannte aber weitaus überforderte Schriftsteller unsachgemäß dilletantisch an. Er legte die prächtigen Picknick-Decken, die sich im Auto befanden unter die beiden noch standfesten Räder, um denen besseren Griff zu geben. Zerknautscht wurden die beiden Decken von den beiden Rädern nach kurzer Zeit in den einheimischen Straßenstaub befördert. Ohne das Auto irgendwie weiter zu bewegen. Damit war auch seine Rolle als entschiedener, einziger Taktgeber der nun ungemütlich gewordenen Autofahrt endgültig ausgespielt. Der angeschlagene Dichter wurde nun von der Ehefrau und der scharfzüngigen Freundin der Ehefrau, die sowieso zum noch fernen Bahnhof mit ihren beiden schweren Koffern wollte, nach Lauda – Lausa geschickt. Um Vorspann für das lädierte, in den Graben geneigte Auto zu holen und die Freundin nebst den Koffern noch rechtzeitig zum Bahnhof zu bringen.
„So geht das nicht“, erklärte Suse und stieg wieder aus dem Wagen. „Du mußt Vorspann aus dem Dorf holen, irgend jemand, der uns abschleppen kann.“ Und besorgt setzte sie hinzu: „Hoffentlich ist dem Fahrgestell nichts passiert, es gab einen furchtbaren Krach, als wir aufsetzten!“
Damit war dem ziemlich lädierten Schriftsteller ein erstes Muß gesetzt, dem gleich noch das zweite folgte. Den Transport der Freundin mit samt den schweren Koffern zum Bahnhof. Der hohe Bahndamm, der den Ortskern von Lauda wie eine Stadtmauer von der Unfallstelle abtrennt, war in ca. 100 Meter Entfernung zu sehen und gab die Richtung zum Bahnhof vor. Schilder braucht es da nicht mehr. Zudem kam die klare Vorgabe sich zu beeilen. Das Unfallgeschehen, eine kleine Sensation im örtlichen Geschehen, blieb von der teilweise angetretenen Einwohnerschaft von Lauda nicht unbemerkt und wurde überraschend zu einem neuen sonntäglichen Sammlungspunkt.
„Ja, und mir müssen Sie jetzt meine Koffer zur Bahn tragen“, sagte die Freundin nicht ohne Schadenfreude. …
„Beeile dich ein bißchen mit dem Vorspann, Junge!“ sagte Suse mahnend. „Es ist nicht angenehm, hier Parade zu sitzen.“
Denn schon fing die sonntägliche Bevölkerung Lausas an, sich um den im Graben gelandeten Wagen zu sammeln.“
Nun nehmen die Leiden des angezählten Schriftstellers mit Lauda – Lausa ihren weiteren unheiteren Fortgang. Fallada macht die oft brutale Erfahrung mit fast vielen Bahnhöfen, dass diese weit außerhalb des alten Ortskernes erbaut wurden. Da Lauda zum einen die Funktion eines wichtigen Eisenbahnknotens hat, zum anderen früher die Endstation der badischen Eisenbahn in Richtung Bayern war, sind die vorhandenen Gleisanlagen für den umsteigenden Betrieb, für das Hin und Her des Rangierens, für das Reparieren von Lokteilen sehr umfänglich. Für den Schriftsteller wird die mit Bäumen bestückte Bahnhofsstraße direkt am Bahndamm entlang zu einem fast unendlichen Weg. Und die schweren Koffer mit ihrem Gewicht ziehen die eher kraftlosen Arme des Schriftstellers nach unten. Die unfreundliche Freundin, die unpässliche Dame, wird auch noch mit entsprechend unpassend passenden Bemerkungen die enorme Wegstrecke mit verlängert haben.
„Ich ergriff die beiden Handkoffer, die Dame machte nicht den geringsten Versuch, mir einen abzunehmen. (Ich hätte da ja nie zugelassen, aber trotzdem!) Die Sonne brannte heiß, und schnell stellte sich heraus, daß der Bahnhof am anderen Ende Lausas lag. Lausa ist sehr langgestreckt. Es ist bestimmt der langgestreckteste Ort, den ich je in meinem Leben mit zwei schweren Handkoffern passiert habe.“
Der im inneren Kern angeschlagene Schriftsteller, die Freundin, die beiden Koffer kamen rechtzeitig zum Bahnhof. Es wurde ja auch kräftig angetrieben. Der Schriftsteller fand allerdings keine richtige Muße, die besondere Anlage des Bahnhofes von Lauda zu würdigen, die sich durchaus von anderen Bahnhöfen auch durch den gewichtigen Umfang der Gebäude unterscheidet. Neben dem lang gezogenen Empfangsgebäude steht das durchaus stattlich imposante Gebäude des Eisenbahnamtes. Gegenüber dem Bahnhof, auf der anderen Straßenseite, nachgelagerte Gebäude wie Hotel, Gaststätte, das große Betriebsgelände der gelben Post, die über den Bahnhof Briefe und Pakete in Packwagen versendet. Auch die hohe Anzahl von Gleisen entgeht den gestreßten Sinnen des Schriftstellers ebenso wie die zahlreichen Gebäude des Bahnwerkes. Desweiteren Wasserkräne, Signale, Bekohlungsanlage, Drehscheibe, Lokschuppen. Die geräumige Bahnhofsgastwirtschaft verwehrte sich dagegen den suchenden Blicken des Schriftstellers nicht, der nach Kühlung lechzte. Der Schriftsteller war ein starker Trinker. Aber die Freundin, hier nicht gerade eine Dame, duldete nicht, dass der durstende Schriftsteller, von der langen Wegstrecke, den schweren Koffern, dem Gerede der Freundin, äußerst strapaziert und körperlich fast am Ende sich dort mit einem kühlen Trunk erfrischen konnte. Und scheuchte ihn wieder zum fast dramatischen Unfallgeschehen mit der wartenden Ehefrau und den bei der Unfallstelle Spalier stehenden Einwohnern von Lauda zurück. Und zu den bei der hektischen Zufahrt nach Lauda übersehenen Bildstöcken und Steinkreuzen des Bauernkrieges zurück. Er wird auf der eiligen Suche nach Hilfe, nach Vorspann durch die Josef-Schmitt-Straße zurück gelaufen sein. Diese verläuft parallel zur Bahnhofsstraße. Ist also genauso langgestreckt wie diese. Der Schriftsteller übersieht die Mietskasernen, in denen vornehmlich Eisenbahner wohnen, nimmt die einheitlich gestalteten Häuschen eines Eisenbahnerviertels nicht zur Kenntnis. Er ist ja auf der Suche nach Vorspann. Immerhin eine Reminizens zur Eisenbahn. Fährt diese ja auch in steileren Bereichen mit zwei Loks wie der legendäre Fischzug in Richtung Stuttgart, der Lauda fast täglich morgens durchfährt und wegen der Anhöhe nach Uiffingen Vorspann benötigt. Die Hektik des Tages lässt den äußerst gestressten Schriftsteller des großartigen Bauernromans Bauern, Bonzen und Bomben das mögliche Sujet eines ebenso großartigen Bauernkriegsromans übersehen, das direkt vor seinem Blickwinkel zu finden wäre, wenn er nicht so kurzsichtig wäre, wenn er nicht so einen großen Druck auf ihn einwirkend an diesem Tag gehabt hätte. Der Mann hätte das schreiberische Potential zu einem großartigen Roman gehabt. Mit Lauda - Lausa. Mit Königshofen. Mit Mergentheim. Samt Taubertal. Hans Fallada und der Bauernkrieg in Tauber-Franken haben sich an diesem Sonntagmorgen 1938 kläglich verpasst.
„So angespannt durchirrte ich Lausa auf der Suche nach einem Vorspann. Ich fand keinen, niemand wollte an diesem Sonntag seine Pferde aus dem Stall ziehen, nicht für gute Worte und nicht für Geld, und Autos schien es in Lausa nicht zu geben. Wir Norddeutsche haben ja überhaupt im „Musterländle“ nicht viel Glück: man hält uns alle für Berliner, und die Schwaben lieben die Berliner nicht. So bekam vielleicht der Mann von der Wasserkante so viele Nein, die eigentlich dem Berliner galten.“
Durch die Dissertation von Max Schreck wissen wir, dass die wichtige Funktion des großen Eisenbahnknotens das Wachstum des Gewerbes und Handwerks in Lauda ziemlich angetrieben hat und dass das Gewerbe und Handwerk sich ausdifferenziert hat. In den Handwerksaufzählungen Schrecks finden sich Fahrrad- und Autoreparaturen, Mechaniker, Fuhrunternehmer … Hätte der Schriftsteller besser, intensiver, kontrollierter gesucht, er wäre sicherlich fündig geworden. Aber wer sucht schon ewig in einem der lang gestrecktesten Orte? Und das Sonntags? Wo die Einwohner längst den Ort verlassen haben und sich um das Auto des Schriftstellers und seiner Frau angesammelt haben. Nicht ein Hans Fallada, der schließlich seine Frau, das Auto allein mit einer Schar Einheimischer weiss. Immerhin verbleiben ihm klarere Momente kulturellen Nachdenkens. Dass er da die Franken aus Lauda mit Schwaben verwechselt nehmen ihm nur die Franken und Schwaben schwer. Die darauf bestehen, eigenständige Volksstämme zu sein. Der großstädtisch gebildeten Ehefrau gelang es allerdings genauso wenig wie dem Ehemann, mit den herumstehenden Einwohnern von Lauda – Lausa auf vernünftige Weise zu kommunizieren.
„Aufgelöst und ziemlich trostlos eilte ich zu Suse zurück. Wir würden Wagen im Chausseegraben lassen und mit der Bahn nach Mergentheim zurückfahren müssen, dort einen Abschlepper zu finden. Ein verdorbener Sonntag!
Ich bog, immer eiliger laufend, um die letzte Ecke, und das gestrandete Auto kam in Sicht. Suse saß anscheinend behaglich in ihm und las ein Buch. Etwa zwei Schritte vor ihr standen auf der Straße ein gutes Dutzend Eingeborene, Männer und Jungmänner, und betrachteten schweigend die Leserin.
„Du liest?“ frage ich überrascht Suse.
„Ich tue, als ob ich läse“, antwortete sie und klappte den Hotelnachweis zu. „Seit einer halben Stunde betrachten sie mich, es ist ein wenig irritierend. – Nun, kommt Vorspann?“
„Nein“, sagte ich.
„Niemand will kommen. Ich fürchte, wir müssen den Wagen vorläufig hier stehenlassen und mit der Bahn nach Mergentheim fahren.“
Immerhin bot der Bahnhof eine Möglichkeit an, mit dem Zug nach Mergentheim zu gelangen. Dieses Mal hätte der Schriftsteller den langgestrecktesten Ort allerdings wesentlich erleichterter durchlaufen können. Kofferlos. Doch plötzlich fand der Schriftsteller, die Ehefrau, das Auto noch eine unverhoffte Hilfe und überraschende Lösung in Lauda – Lausa. Eine kleine Spitze gegen die Einwohnerschaft – das Wort Schwaben erwähnte er glücklicherweise nicht – stachelte diese auf zu einem unerwarteten organisiertem Handeln. In einem gemeinsamen Kraftakt der Einheimischen wurde das havarierte Auto des Schriftstellers auf die Chausseestraße gehievt. Nun gibt Fallada den Lokalkolerit durchaus sprachlich richtig wieder. Nun findet der Schriftsteller endlich sein lange verpasstes Sujet. Ein fast versöhnlicher Schluß.
„Stumm sahen die Schwaben unserem Beginnen zu.
„Daß auch kein einziger Mensch vorspannen will!“ rief ich in versteckter Anklage gegen die Zuschauer.
Ein biederer vierschrötiger Schwabe trat an den Wagen und legte seine große Hand behutsam auf die Motorenhaube. „Dös Wägele müßt man doch schiebe könne?“ fragte er, zurückschauend auf die anderen. Sie murmelten beistimmend.
„Erlauben Sie mal!“ rief ich, gekränkt in meinem Besitzerstolz. „Das Wägele wiegt gut seine dreiunddreißig Zentner! Da ist nichts mit Schieben!“
„Dreiunddreißig Zentner – und was ist denn dös?“ fragte er verächtlich, streifte die Ärmel hoch und spuckte in beide Hände. „Kommt mal her und packt an! Dös werde wir gleich habe!“
Er verteilte seine Truppen, hauptsächlich im Graben, das Auto auf die Straßenseite hinüber zu drücken. Suse nahm am Steuer Platz, gab Gas – ein Keuchen aus Männerbrust: mit einem Ruck schoß der Wagen auf die Straße und stand!
Wir sahen uns in die freudestrahlenden Gesichter und schüttelten uns die Hände. „Ich sag’s wie’s ist: ä Wägele!“ sprach der Anführer, und diesmal hatte ich nichts zu protestieren. Im Gegenteil, ich stimmte lachend zu. Dann machte ich mich an eine von meiner Freude befeuerte Trinkgeldverteilung …“
Die glückliche Rettung aus dem Graben führte allerdings nicht dazu, dass Lauda im späteren Bericht des Schriftstellers als Lauda entsprechend gewürdigt wurde. Die Ehefrau von Hans Fallada schaffte es dann noch, in der breiten Garage des Mergentheimer Hotels den Kotflügel zu lädieren. Das konnte der Schriftsteller dann allerdings nicht Lauda – Lausa anhängen. Dampflok-Eisenbahnfans sprechen gern und oft vom Mythos Lauda. Von der Droge Lauda. Die Droge Lauda nahm Fallada allerdings nicht. Er blieb bei Lausa! Ihm fehlte bei weitem der richtige Laudemer Dampf! Und ihm fehlte der Blick auf die Bildstöcke vor Lauda, die Bezug auf den Bauernkrieg 1525 haben. Sowohl bei der Hin- als auch Rückfahrt. Auch den Turmberg von Königshofen ließ er rechts bzw. links liegen. Unbeachtet. So fuhr Hans Fallada zweimal am Bauernkrieg 1525 im Taubertal als Beisitzer vorbei.
Literatur:
Hans Fallada: Heute bei uns zu Haus, Kapitel Glück aus Leder, Lack und Stahl, 1943
Max Schreck, Lauda als Eisenbahn-Knotenpunkt und handwerkliche Kleinstadt (Diss.), Frankfurt a./M. 1924
Oberlauda
Der Schlossberg über Oberlauda, on top die würzburgische Amtsburg, die im Bauernkrieg vom Bauernhaufen gestürmt wurde, insofern nur noch flachgründigste Ruine. Long live the fränkische Schlösserartikel.
Blick auf das Plateau des Schlossberges, rechterhand standen Palais und Wehrturm am Steilrand zum tiefen Halsgraben
Blick vom umfanggroßen Plateau des steil aufragenden Schlossberges, auf dem das Schloss stand, nun der Vegetation überlassen, wenig zugänglich, ins Tal Richtung Unterlauda.
Der äußerst steile Schlossberg zu Oberlauda hin, Träger der Burg Oberlauda, in der sich die würzburgische Amtsmannschaft unter Philipp Riedern versuchte zu barrikadieren. Die zwar steile aber wohl etwas baufällige Burg wurde vom Bauernhaufen gestürmt - Ein Taubertaler Weinsberg? Nein, der Amtmann Philipp Riedern durfte die Zeit des Bauernkrieges im Mergentheimer Gefängnisturm verbringen.
Über die Schloß-Burg berichtet Stephan Oehmann in der Ortschronik von Oberlauda: "Von dem einst so herrlichen Schloß sind nur noch die Grundmauern und der zum Schutze gegen Angriffe von der Neuenbergseite her vorgelegte Halsgraben vorhanden. Die Schloßruine liegt dicht bei dem Dorfe Oberlauda, südlich von demselben auf dem spitz zulaufenden Ende einer Bergfläche, die nach Norden und Süden steil abfällt und von West nach Ost keilförmig ins Tal zieht. Ihre Stätte wird noch jetzt das "alte Schloß" genannt. Der Burgbau dürfte im Ganzen eine Fläche von etwa 16 000 qm eingenommen haben; (...) leider wurden die Steine der Ruine bis zur Erdgleiche weggeschafft und für Privatbauten verwendet. ... Auch der noch vor etwa 30 Jahren vorhandene gewölbte massive Keller des Palas ist eingerissen. Der jetzt über der Ruine gelagerte Schutt läßt nur ein spärliches Bild über den früheren Zustand der Burg zu. ... Offenbar war die gesamte Burganlage von einer starken Ringmauer umgeben. Der Eingang war von der Neuenbergseite aus, ein Fußweg führte vom Dorf aus in westlicher Richtung zum Schloß."
Einige Tage später wurde Oberlauda zu einem ersten wirklichen Brennpunkt des Bauernkrieges. In Lauda predigte der von der Universität Heidelberg eingesetzte Pfarrherr Lienhart Beys im Sinne der Aufständischen, was den Übertritt zum Bauernhaufen erleichterte. Eine briefliche Ermahnung des Fürstbischofes wurde mit ironischen Untertönen beantwortet und gleichzeitig nicht beachtet. Als der Aufruhr zunahm, die Stadt voller Aufständischer war, Teile des Taubertaler Haufens sich Lauda näherten, rückten die Bauern am 14. April morgens vor den Sitz des Amtmanns Philipp von Riedern in Oberlauda. Der Amtmann hatte nur einige Adlige wie Sigmund von Zobel, Knechte und seine Familie bei sich. Damit war die geräumige, aber nach Fries zu weitläufige, gar baufällige Burg nicht zu verteidigen. Die Übergabeaufforderungen der Bauern wurden dennoch abgelehnt und bald waren die Munitionsvorräte verbraucht. Als die ersten Bauern, wohl in der Mehrzahl aus dem Amt Lauda, in das Innere der Burganlage eindrangen, zogen sich die Verteidiger in den mächtigen Bergfried zurück. Die Bauern legten Feuer im Herrenhaus und von dort aus griff das Feuer auf den Turm über, die Besatzung barg sich im untersten Turmgeschoß und konnte die Feuerhitze überstehen. Am Osterabend, Karsamtagmorgen, dem 15. April ergaben sich Amtmann, Adlige und Knechte, die gefesselt nach Lauda gebracht wurden. Bis auf die Hemden ausgezogen mußte die schwangere Frau des Amtmannes und ihre Kinder folgen. In Lauda ergab sich wieder eine bedrohliche Situation für die Gefangenen, da einige erregte Bauern vorschlugen, sie durch die Spieße zu jagen. Dies wurde aber durch den Edelfinger Schultheiß und Bauern-Hauptmann, Kunz Bayr (Cuntz Bayer), mit überzeugenden Worten verhindert. Dieser Vorgang eines möglichen "durch die Spieße Jagens", vergleichbar mit der Tat von Weinsberg, soll sich am damaligen nördlichen Ende von Lauda, am Standort eines 1515 errichteten Bildstockes mit dem Nährvater Joseph, abgespielt haben. Der gnadenlose Rache- und Blutzug des würzburgischen Fürstbischofes betraf Oberlauda, denn am 19. Juli ritt der Bischof mit seinem Reitergefolge und Henkern in Lauda ein und am nächsten Tag wurden die Einwohner der Stadt und die Dörfer des Amtes auf den Fürstbischof neu verpflichtet. Als Vergeltungsaktion wurden Hans Mengelein und Hans Wirsing aus Oberlauda neben weiteren sechs "Rädelsführer Verdächtige" enthauptet.
"Als der Aufruhr je länger je grösser ward, wolt der Bischof die Ursach des Aufruhrs vernehmen: ließ einen gemeinen Land-Tag ausschreiben, auf Sonntag Misericordiae Anno 1525. auf solchen sicher Geleit. Unterdessen brachen die Bauern von Scheffters-See [Schäftersheim] auf, und zogen am heiligen Char-Freytag gen Lauda, wurden allda eingelassen; ruckten des nechsten für das Schloß Ober-Lauda. Darinn war Philipps von Riden [Riedern] Amtmann; hatte bey sich Sigmund Zobel, Erasmum Fechenbach, auch seine und ihre Knecht: belagerten das Schloß, beschossen dasselbig hefftig. Als sie es nicht wollten aufgeben, begaben sie sich in ein Thurn, in Meynung sich daraus zu wehren. Die Bauern zündeten das Schloß an, und schluge das Feuer an den Thurn, darinnen der Amtmann und seine Verwandte waren, dermassen an, daß sie hinab in Thurn fielen, und darinnen blieben, bis alles Holtz verbrandt ward. Als aber das Feuer verloschen, und sie sich keiner Hülff im Thurn vertrösten konten, schryen sie den Bauern zu um Gnad, ward ihnen aber abgeschlagen. Die Bauern fielen in das Schloß, zogen des Amtmanns Frau, welche schwanger war, sie und ihre Kinder bis auf die Hembder aus und stiessen sie barfuß in das Elend. Nahmen auch die aus dem Thurn, bunden ihnen die Händ auf den Rucken, führten sie nach Lauda für ihre Hauptleuth: die Frau folgte ihnen nach, und bat für ihren Herrn, aber alles vergeblich; ward gantz dahin gerichtet, daß sie solten gespießt werden; darwider legte sich ein Hauptmann, und wendet der Bauern Vorhaben ab. Die Gefangene wurden auf einen Wagen gebunden, und zu Mergentheim in ein Thurn gelegt. Als aber der Bund kommen, und die Bauern zu Königshoffen geschlagen, seynd sie widerum ledig worden."
Würzburgische Chronik von Ignatio Gropp 1748, Kapitel Kurze Beschreibung Von Dem Bauern-Krieg Seite 84
Stephan Oehmann variert Sturm, Gefangennahme und gefordertes durch-die-Spieße-Jagen in seiner Oberlaudachronik etwas:
"... führten sie nach Lauda vor die Hauptleute in das Lager. Den Bauern folgte die betrübte Frau mit ihren kleinen Kindern nach, kam vor die Hauptleute, bat sie um "Gotteswillen mit großem Klagen und Weinen, daß sie ihren und ihrer Kinder Hauswirt und Vater ledig lassen und freigeben, alles andere wolle sie gerne verschmerzen." Die Bauern wollten das nicht tun, ja der ganze Haufen schrie und begehrte endlich, daß man sie durch die Spieße jagen solle. - Das geschah am nördlichen Ende von Lauda, dort, wo jetzt noch ein 1513 errichteter Bildstock mit dem Bild des Nährvaters Joseph steht.
Dagegen waren nur die Hauptleute und der Büchsenmacher Kunz Bayr, der soeben von Bischofsheim mit Wall-Büchsen zurückkehrte. Die Hauptlete beantragten, wenn sich die Gefangenen mit ihnen verbrüdern, sollte man sie auf Urfehde freilassen. Als der große Haufen den Antrag ablehnte, trat Kunz Bayr hervor und redete zu der Versammlung, daß die Gefangenen wohl "wider ir christlich versammlung gehandelt und sich also schwer vergessen, derwegen sie straf verdient heten. Das sie aber mit dem leben sollten gestrafft werden, dazu könte er nicht raten; dan sie bekenten, das sie geirret, wollten auch diese christliche ainigung gern anemen. so sehen sie hier die bekumert arme fraue, die unschuldige kleine kindlein, welche umb ires vaters erledigung durch gots willen cläglich schriehen und wainten. sie sollten sich den jammer und elend der betrübten frauen und kinder zu herzen füren und nit so schnell diejenigen umpringen, die der almechtig got in dem feur und hitze sonderlich behütt hette. Got het men das leben gegont, warum besinnt ir euch und wollt inen das leben nemen. Darumb, wer den armen Gefangenen das leben gonen wolte, der ain Finger ufrecken."
Also Kunz Bayr hat ihnen das Leben gerettet.
Es waren aber viele unruhige, arge und ungeschickte Tölpel im Haufen, die nichts besseres wußten, als sich an die Gefangenen heranzumachen, sie zupften, stießen, höhnten und auf alle erdenkliche Art belästigten, daß die Hauptleute befürchteten, wenn noch länger zugewartet werde, konnten die Gefangenen zu Grunde gehen. Sie ließen sie auf einen Wagen binden und nach Mergentheim führen, wo sie in den Turm gelegt und bis zum Pfingsttag (4. Juni) gehalten wurden."
Stephan Oehmann: Oberlauda ehemals fränkischer Grafen- und Amtmannssitz. Ein Beitrag zur fränkischen Geschichte. Wertheim 1949, Seite 49 - 50.
Oberlauda stand also kurz davor, ein zweites Weinsberg zu werden. Allerdings war es auf adeliger Seite quasi ein Standardverfahren, nach der gewaltsamen Erstürmung einer Burg mit Toten die übrig gebliebene Burgbesatzung in einem rituellen Verfahren durch die Spieße zu jagen und zu töten. Man wollte sich dadurch vor eventueller Rache schützen. Das Ungeheuerliche war, dass die Bauern adelige Riten simulierten und anwandten. Was der Adelige darf, darf der Bauer noch lange nicht. Insofern wurde Weinsberg auch auf Herrschaftsseite entsprechend hoch stilisiert. Und die Bestrafung Weinsbergs und Jäckleins Rohrbachs grausamst hochsymbolisch durch feierliche Verbrennung durchgeführt.
Peter Blickle schreibt in seinem wichtigen Buch Bauernjörg in einer Anmerkung, daß entgegen der bisherigen Bauernkriegsforschung Hans-Martin Maurer "gegen die herrschende Interpretation die These eingeführt [hat], Weinsberg sei im Rahmen des frühzeitlichen Kriegsrechts eine vertretbare Tat gewesen." Peter Blickle: Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. Georg Truchsess von Waldburg 1488 -1531. C. H. Beck, München 2015 Anmerkung 63, Seite 504
Auch Benjamin Heidenreich unterstreicht diese Interpretation: "In Weinsberg und Oberlauda agierten die Versammlungen nach der Eroberung der Burgen als sog. Spießgericht. Wie in Landsknechtheeren üblich, berieten die 'Aufständischen' über die Delinquenten, sprachen das Urteil und vollzogen es. Wofür die Adeligen bestraft wurden, lässt kaum Raum zu Spekulationen. Entsprechend dem damaligen Kriegsrecht standen den Erobern einer Burg, wenn diese im Sturm eingenommen wurde, das Gut und das Leben der Besatzer zu. Die 'Aufständischen' agierten nicht anders, als es zu dieser Zeit üblich war."
(Benjamin Heidenreich: Ein Ereignis ohne Namen? Zu den Vorstellungen des 'Bauernkriegs' von 1525 in den Schriften der 'Aufständischen' und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung. 2019, Seite 105)
Wegen ihrer Wichtigkeit auch für Oberlauda sollen die Ausführungen Hans-Martin Maurers zur Ausübung üblichen Kriegsrechts beim Spießgericht in Weinsberg hier wiedergegeben werden:
"Man hat das Verhalten der Teilnehmer oft nach der berüchtigten Tat von Weinsberg an Ostern 1525 beurteilt, damals schon und noch in neueren Darstellungen, aber dies war die einzige Gruppentötung, die sich das Bauernheer zuschulden kommen ließ, und für die Beteiligten war es kein einfacher Mord, sondern Ausübung des Kriegsrechts. Einige der 22 Adligen und Reitknechte wurden im Kampf getötet, die Überlebenden in Form eines Spießgerichts, eines bei Landsknechttruppen ausgebildeten Schnellgerichtsverfahrens, gerichtet. Die Aufständischen waren damals empört, daß Mitkämpfer von ihnen nach den ersten Gefechten in Oberschwaben massenweise (und vereinzelt auch in anderen Gegenden) niedergemacht worden waren, und man hatte sie selbst von Weinsberg aus bedroht und angegriffen. Nun hatten sie die Burg und Stadt Weinsberg im Sturm erobert, und zwar unter eigenen blutigen Verlusten, nun aber waren sie die Sieger und machten das Kriegsrecht für sich geltend, nach dem eine erstürmte Stadt, die sich nicht ergeben hatte, dem Eroberer verfallen war. Es war der erste bedeutende Erfolg der Aufständischen, der manche offensichtlich in einen wahren Siegestaumel versetzte und zu dieser verhängnissvollen Tat verleitete."
(Hans-Martin Maurer: Der Bauernkrieg als Massenerhebung. Dynamik einer revolutionären Bewegung. In: Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg (Hrsg.): Bausteine zur geschichtlichen Landeskunde in Baden-Württemberg. 1979, Seite 255 - 295)
Die Ereignisse von Oberlauda fanden am Karfreitag statt, Weinsberg am Ostersonntag. Oberlauda geht also Weinsberg voraus. Im gewaltsamen Sturm der Burg ähnlich. Die Besatzung des Oberlaudaer Schlosses wehrte sich zunächst heftig. Es kann also von Verletzten und Toten unter den angreifenden Bauern ausgegangen werden. Mit Ablehnung der Übergabe des Schlosses, mit dem Erstürmen des Schlosses von Oberlauda war das damalige Kriegsrecht eindeutig. Die Eroberer bestimmten und führten ein übliches Spießgericht durch. Nur noch das besonnene, durchaus christliche gestimmte Urteilsvermögen von Hauptleuten wie Contz Bayer verhinderte, dass das Spießgericht tödliche Konsequenzen hatte.
Zeichnungen von Stephan Oehmann der Oberlaudaer Burg. In: Stephan Oehmann: Oberlauda ehemals fränkischer Grafen- und Amtmannssitz. Ein Beitrag zur fränkischen Geschichte. Wertheim 1949, Seite 36 - 37.
Eine Rekonstruktionszeichnung der Oberlaudaer Burg findet sich hier von Burgrekonstruktion.de Es muß allerdings noch etwas hinunter gescrollt und die Oberlaudaer Burg ausgesucht werden. Die Burgrekonstruktion von Burgrekonstruktion.de zeigt realistischer viel höhere Burgmauern als die Zeichnung von Oehmann an. Dessen Burgmauern sehen eher wie Vorgartenzaunmäuerchen aus. Kein Wunder, dass diese Burg dem Ansturm der Bauern nicht lange stand halten konnte. Wenn der Blick auf die Burgrekonstruktionszeichnungen die höheren Mauern akzeptiert, wird verständlich, dass die Oberlaudaer Burg zu gross für eine zu kleine Verteidigungsmannschaft war. Also eher eine Fehlplanung, sich in diese Burg zu flüchten. Es ist zu berücksichtigen, dass die Würzburger erst seit 1505 im Besitz des Amtes Lauda samt der Oberlaudaer Burg waren. Eine Ernstfallübung hatte die Würzburger Herrschaft wohl seit dieser Zeit nicht durchgeführt, um zu erkennen, dass die Oberlaudaer Burg im Ernstfall nicht der geeignete Fluchtpunkt war. Der Würzburger Amtmann Philipp von Riedern hatte im Kerker von Mergentheim genügend Zeit darüber nachzudenken.
Gnade für den Vogt zu Oberlauda
Erzählung aus dem Bauernkrieg
"Sie kommen, sie kommen", rief der Martin-Bauer seinem Weib zu. Dann griff er nach Hut und Sense und eilte aus der Stube, nachdem er sich von der jammernden Frau losgerissen hatte. Die Frau öffnet spaltweit den schweren Fensterladen. Eine Schar wild aussehender Männer, bewaffnet mit Morgensternen, Sensen, Dreschflegeln, aufgepflanzten Sicheln zieht vorbei. Fackeln beleuchten die zerfurchten, schrammenbedeckten Gesichter, denn es ist noch lange bis Tag. Hie und da knarrt ein Hoftor. Ein bewehrter Bauern schiebt sich in die Reihen der Aufständischen. Hunde schlagen an, in den Ställen rasseln die Ketten. Das alles nimmt die Frau am Fenster wahr. Dann schließt sie den Laden und weint. Sie ist nicht allein. Aus der Kammer nebenan sind die Atemzüge der schlafenden Kinder zu hören. Doch die Frau kann keine Ruhe finden. So geht es vielen Bäuerinnen des Taubergrundes in jenen Nächten des Jahres 1525.
Die Bauern stürmen das Schloß zu Ober-Lauda! Der Obervogt Philipp von Niederen hat seine Knechte unter dem großen Torbogen versammelt und stellt befriedigt fest, daß alle Eingänge stark besetzt sind. Frauen und Kinder hat man in die Gewölbe eines Verlieses gebracht. Dazu allen Wertbesitz.
Vom Turm ertönt ein Signal! Der Obervogt hastet die Wendeltreppe empor. Weithin sichtbar wälzt sich der Zug der Vernichtung über das Land. Der helle Fackelschein bezeichnet den langen Zug, der wie ein feuriger Drache aus dem Taubertal hervorbricht. Und schon sind sie da, rammen mit schweren Böcken die Tore, schlagen die Knechte nieder, werfen den Brand in die Wohngebäude. Philipp flüchtet mit Getreuen in den festen Turm. Doch der rote Hahn friß sich durch. Die Herren geraten in die Hände der Bauern.
Während das übrige Volk sengend und plündernd die Vogtei durchstreift, ziehen die Aufrührer hinab zur Tauberbrücke und halten Gericht. Sie führen den Obervogt in den Ring. Sie bieten ihm die Stelle eines Hauptmanns in ihren Reihen an. Der stolze Herr lehnt ab. Andere raten, den Gefangenen dem Tode zu überantworten. Endlich kommt ein Beschluß zustande: Sie überlassen den Obervogt ihrem Hauptmann Lederle. Der war dem Vogt zins- und fronpflichtig und in Lauda als wohlhabender und ehrbarer Landmann bekannt. Sein Sohn hatte eine Wildsau erlegt, die weitum die Äcker heimsuchte. So war er in die Gewalt des Vogtes gelangt und schmachtete in einem Verlies des Schlosses. Der Vater erhielt über den Verbleib seines Sohnes keine Nachricht, denn nach einer Anfrage weist der Vogt immer wieder auf die Landessatzung hin, deren Bestimmungen den ehedem freien Bauern das Joch der Knechtschaft aufzwangen.
Lederle greift zur Axt und läßt Philipp in den Wald führen. Das Herz des Bauern bebt vor Erregung. Er weiß: jetzt will er Vergeltung üben für alles, was der Vogt ihm zugefügt. Da steht er vor seinem Erbfeind und will zum Schlag ausholen. Der Vogt sieht dem Bauern kalt und stolz in die Augen. Ein Herr bittet nicht um sein Leben. Da ergreift den Bauern ein Schauer vor der Gewalt des Todes und er läßt vom Morde ab. Vielleicht denkt er auch an seinen Sohn; glaubt, daß er noch lebend im Kerker weilt. Kurz bevor der freie Vogt die Richtstätte verläßt, sagt er: "Lederle, beeile dich, dein Sohn ist noch im Schloß!"
Der Bauer rennt zu der Stätte, wo das Schloß stand. Rauchende Balken zwischen Ruinen, hie und da noch emporzüngelnde Flammen sieht er. Einige Bauern kümmern sich um Verwundete und Tote. Die andern kraxeln fluchend zwischen den Mauern umher. Sie wissen genau, daß irgendwo noch etwas verborgen ist und suchen den geheimen Eingang.
Suchen und suchen, bis sie die verborgene Zuflucht finden. Ein junges Mädchen tritt unter die Verängstigten vor, fällt auf die Knie. Die Geliebte des Bauernsohnes zeigt den Aufständigen den Weg ins Verlies. Sie hat den jungen Bauernsohn während seiner Gefangenschaft hinter dem Rücken des Obervogtes mit Lebensmitteln versorgt.
"Du mußt sofort auf den Hof zurück." Der Bauer weist mit der Hand nach Süden. "Grüß mir die Mutter." Der Jungbauer zögert noch, dann verläßt er schnellen Schrittes die Brandstätte. Der Hof hat Arbeit für ihn. Das Erbe der Väter ruft.
Die Bauern brechen bald auf und erreichen noch am gleichen Tag Würzburg. Die Stadt öffnet den Aufständischen die Tore. Unbezwingbar aber thront die Feste Marienberg über dem Main. Florian Geyer führt seine gefürchtete "Schwarze Schar" heran. Aber auch er beißt sich die Zähne an den wuchtigen Mauern aus. Da hebt ein schrecklicher Kampflärm an. Der streitbare Truchseß von Waldburg stürmt unter die Bauern. Das Schwert der Herren hält blutige Ernte. Was übrig bleibt, wird gefangengenommen. Der Truchseß fordert im Namen des Schwäbischen Bundes den Tod von 70 Bauern. Auch den Hauptmann Lederle trifft das Urteil. Da tritt der Obervogt Philipp von Niederen vor und bittet ihn nebst 36 anderen Männern frei. So begleicht er seine Rechnung mit dem Bauernführer, der ihm einmal das Leben gerettet.
Die Bauern versenken ihre Waffen in den Fluten des blutgetränkten Main. Sie gehen nach Hause, beugen sich weiter unter die harte Fron.
Ihr Zug geht vorüber an brennenden Dörfern und Schlössern, leblosen Bildern des Unterganges, Ruinen vergangener Tage, Zeichen einer neuen, besseren Zeit, die ein ganzes Volk voll Sehnsucht erwartet.
H. St.
Aus: Stephan Oehmann: Oberlauda - ehemals fränkischer Grafen und Amtmannsitz. Wertheim 1949, Seite 138 / 139
Die Lederle-Bauernkriegssage wird in Oehmanns Buch als Anlage angefügt, da die Geschichte vom Bauernhauptmann Lederle und der Gefangennahme auch bis in die Gegenwart noch in Oberlauda und Lauda erzählt wurde. Leider wird der Autor des Textes als H. St. abgekürzt. Es handelt sich hier wohl weniger um eine Sage, sondern um eine Erzählung, um eine Dichtung, um eine erweiterte Neudichtung einer Sage, mitunter sehr freien Ausschmückung. Es schleichen sich auch moralische Bewertungen des Autors ein wie sengend und plündernd, Zug der Vernichtung. Die Bauernhaufen werden also in erster Linie negativ dargestellt. Dagegen die Herren bleiben selbst bei Todesgefahr stolz, edel, stark. Das läßt als Autor auf einen Pfarrer, Lehrer, Beamten schließen, der sich eher mit der Herrschaft identifiziert, sich auf ihre Seite stellt. Auch wenn die Fron, die die Bauern leisten müssen, als hart eingestuft wird. Die Lederle-Sage beschreibt den Sturm der Bauern auf das Schloss Oberlauda, den anschließenden Zug nach Lauda und dann im Zeitsprung die Belagerung der Unserfrauen-Burg Würzburg und das Ende des Bauernkrieges. Im Oberlaudaer Bergschloss hat sich der Laudaer Amtmann Philipp von Riedern mit zu wenigen Gefolgsleuten, Ehefrauen und Kindern, einigen Knechten eingeschlossen. Also kein Vogt wie in diesem Text. Die Verschonung des gefangen genommemen Amtmanns Riedern vor dem durch die Spieße-Jagen wird realiter dem Edelfinger Hauptmann Cuntz Bayer zugeschrieben. Der Bauern Hauptmann für den Amtsbezirk Lauda war Hanns Symplein (Senglein). Die Schlacht von Königshofen am 2. Juni 1525 wird in diesem Sagentext völlig ausgeblendet. Eine gute Fügung durch eine Liebesgeschichte darf in so einem dramatisch aufgeblähten Text nicht fehlen. Amtmann Riedern verbrachte den restlichen Bauernkrieg im Mergentheimer Kerker. Er konnte also nicht wie der Vogt um Gnade für die zum Tode verurteilten Männer bitten. Hingerichtet wurden zahlreiche Männer aus Lauda, Oberlauda und Heckfeld und anderen Würzburgischen Orten. Auch Karl Hofmann ging in seinem Bauernkriegsbuch von 1902 auf die Lederle-Sage ein: "Auf dem Marsche dahin begegnete ihnen der Bauernhauptmann Lederle und fragte die Bauern, wen sie da brächten. Da rief der Führer: 'Ich muß die Hunde da gefangen führen.' Der Hauptmann wies ihn wegen dieser unziemlichen Rede zurecht und sagt: 'Sind es doch Edelleut, man muß sie ehrlicher traktieren.' Gerührt ob solcher edlen Gesinnung rief Philipp von Riedern dem Bauernhauptmann zu: 'Lederle, Lederle, das will ich dir gedenken.' Lederle sorgte außerdem noch dafür, daß die Gefangenen auf einen Wagen gebracht und so nach Mergentheim in Haft geführt wurden." (Karl Hofmann, Der Bauernaufstand im Badischen Bauland und Taubergrund, 1902, Seite 35)
Eine genaueres Nachschauen in den Zimmermann'schen Bauernkriegsbänden ergab, daß auch schon Zimmermann einen Hauptmann Lederle aufführte. Mit einem Hinweis auf die Sammlungen, Handschriften, Abschriften des Prälaten von Schmid, der über 40 Jahre zum Bauernkrieg sammelte, aber nur einen kurzen Beitrag in einer Enzyklopädie verfaßte.
Elmar Weiß bringt in seinem Buch zur Wenkheimer Geschichte 2009 einen neuen Aspekt zur Erstürmung des Oberlaudaer Schlosses an:
"Fast der gesamte niedere Adel im Taubergebiet und Odenwald scheint sich notgedrungen der "Bauernsache" angeschlossen zu haben. Dazu gehörten u. a. die Zobel, Rüdt, Rosenberg, die Sützel, Adelsheim, Wichsenstein und die Klinkhardts. Die bisherige Forschung liegt falsch, wenn sie behauptet, dass die meisten Ritter dem Bauernheer fern geblieben sein. Im Taubertal ist das Gegenteil der Fall.
...
Eine Ausnahme unter den Adeligen machten die Herren Hund von Wenkheim. Sie brachten nicht nur einen Teil ihrer Habe in der Burg von Oberlauda in trügerische Sicherheit, sondern machten sich auch auf, gegen den "paurischen auffrur" vorzugehen. Adam Hund begab sich zum bündischen Heer, das gegen die Bauern kämpfte und bald gegen Franken vorrücken sollte, und Jörg Hund gesellte sich zu den Verteidigern der Würzburger Festung, die dem wochenlangen Anstürmen der Bauern standhielt."
(Elmar Weiß: Wenkheim. Ein fränkisches Dorf im Laufe seiner Geschichte. Osterburken 2009, Seite 102 / 103)
Der Wenkheimer Niederadlige Adam Hund kämpfte also auch in der Schlacht vom 2. Juni 1525 auf dem Königshöfer Turmberg auf Seiten des bündischen Heeres.
Auf die Oberlaudaer Schlosserstürmung geht Professor Helmut Flachenecker sowohl in seinem Aufsatz "Bauernkrieg im Taubertal" und in seinem Vortrag bei der Veranstaltung des Fränkischen Bundes in Lauda ein:
Helmut Flachenecker: Der Bauernkrieg im Taubertal. In: Gertrud Nöth / Monika Schaupp / Michael Pulverich (Hgg): Erforschen und Gestalten. Festschrift für Leonhard Scherg zum 80. Geburtstag. Marktheidenfeld 2024
Auf die Vorträge beim 11. Fränkischen Thementag "Der Bauernkrieg in Franken" am 13. Juli 2024 in Lauda geht Peter. A. Süß im Heft Frankenland 3 - 2004 ein.
Bauern vor den Oberlaudaer Schloßmauern - Zur überfälligen Kritik an der Darstellung von Lorenz Fries zum Sturm des Oberlaudaer Höhenschlosses
Der Bericht von Lorenz Fries, dem würzburgischen Bischofchronisten aus Mergentheim, über die gewaltsame Erstürmung des befestigten Berghöhen Schlosses Oberlauda, die totale Ausbrennung des Schlosses, die dramatische Gefangennahme des Amtmannes, der Adeligen, der reißigen, also bewaffneten Knechte, ist in der bisherigen Rezeption der Vorgänge maßgebend. Vielfach werden die Nachzeichnungen der heftigen Auseinandersetzung von den die Geschichte aufgreifenden, beschreibenden Autoren mehr oder weniger übernommen, sei es als gekennzeichnetes, oft langes, Zitat oder in der fast wörtlichen Wiedergabe. Ebenso gern geteilt werden eindeutige Einschätzungen von Fries über die aufständischen Bauern als Tölpel, als Trunkenbolde, die nichts anderes als den ganzen Tag zechen würden. Damit dominiert Fries bis heute das Bild dieses Tages, das auch in der Heimatgeschichte, in den Ortschroniken verfestigt wurde und damit ein eindeutiges Bild über die Oberlaudaer Ereignisse in die tauber-fränkische Region trägt. Kritische Fragen wurden dabei bisher kaum gestellt, ob die Friesgeschichte über die Schloßerstürmung überhaupt stimmig ist, den Vorgängen angemessen. Die Autoren, die das Thema aufgreifen, varieren etwas den Ablauf, aber das grundlegende Bild dieses wichtigen Ereignisses bleibt bis in unsere Tage von der Darstellung von Lorenz Fries geprägt. Die Heimatgeschichte Tauber-Frankens wurde bis in die 1980er Jahre vor allem von Lehrern, Pfarrern und Beamten getragen, die in durchaus verdienstvoller Weise die lokale Ortsgeschichte aufarbeiteten und meistens als Einzelpersonen die Ortschroniken erstellten. Dabei schlichen sich durchaus negative Bilder in die Darstellungen ein, die das konservative Menschenbild der Lehrer, Pfarrer und Beamten wiederspiegelte. Man identifizierte sich mit den Machtverhältnissen, ging auf die Seite der Herrschenden über. Man ging mit der Macht, so wie man es auch im gelebten Alltag tat. Charakterisierte die Amtmänner oftmals als fleißig, meistens ohne dafür konkrete Belege vorzulegen. Diese unreflektierte Über-Identifikation schleicht sich auch in den meisten Bauernkriegsabhandlungen in der Heimatgeschichte ein. Offene Widersprüche in den Fries’schen Handlungsbeschreibungen werden leicht übersehen, sind kein Anlaß tiefer einzusteigen.
Es fällt ganz klar auf, dass Lorenz Fries auf wichtige, bestimmende Beweggründe der aufständischen Bauern, Bauernhaufen fast an keiner Stelle eingeht. Klöster werden bei ihm geplündert, der gute Wein ausgesoffen. Die Hintergründe, warum die Bauern die Klöster aufgesucht haben, werden bei Fries nicht ausgeführt, verschwiegen. Auch dieses Bild hat sich in vielen Bauernkriegsliteraturdarstellungen verstetigt, ist fest in den Köpfen vieler. Der Würzburger Bischof hat für sich das Fazit erschlossen, dass die Bauern ohne Grund von ihm abgefallen seien. Dieses Fazit setzt Lorenz Fries konsequent in seiner Bauernkriegsgeschichte um, als gelte es die Staatsräson des Hochstiftes Würzburg in Schrift zu gießen. Genauso wichtig ist zu beachten, was Lorenz Fries bei seinen Ereignisnachzeichnungen nicht schreibt.
Wir nutzen bis heute den Begriff „Bauernkrieg“. Den haben die aufständischen Bauernhaufen nie benutzt. Er ist in keinem der erhaltenen Briefen der Bauernhauptleute enthalten. Auch das wirft eine gehörige Schattenseite auf das 500jährige Jubiläum, da auch in diesem der von Peter Harer, dem kurpfälzischen Chronisten im Juli 1525 erstmals verwendete Begriff dominiert. Fries stellte ironisch und denunzierend gemeint die Frage, ob es ein Bauern- oder Weinkrieg war. Es ist also nicht leicht, den tatsächlichen Intentionen der Bauernhaufen gerecht zu werden. Bis heute scheint in die Abhandlungen die Herrschaftgeschichte hinein. Eine gelenkte Erinnerungskultur, die eher das Bild der damaligen Herrscher und Schreiber auf den Aufruhr der christlichen Versammlungen der Bauernhaufen wiedergibt, als das Bild, das die Bauern von ihrem Vorhaben gezeichnet haben.
Wollten die Bauern einen Bauernkrieg? Ein gewaltsames Vorgehen? Sie schrieben von evangelischer Reformation, von christlicher Versammlung, von einer Reformation der Geistlichen und der Adeligen. Die 12 Artikel, die Verweigerung von Zehnten, von Steuern, von Verbrauchssteuern, die Klage von enteigneten Dorfwäldern und –wiesen, das Ansprechen von Geistlichen, die mehr kassieren und nichts für die Gemeinden tun, meint die Klöster als die Großgrundbesitzer und Rechteinhaber ihrer Zeit, sprechen keine militärische Sprache. Sie zielen auf eine Einigung hin, in einer christlichen Weise. Die Bauernhaufen verstanden sich als Christen, wollten aber die Bibel anders gelesen haben als die Bischöfe, als Papst und Kaiser. Aber auch wie sich herausstellte anders als Luther. Viele der damaligen Pfarrer waren für eine evangelische Reformation. Vertraten aber wie auch Lienhart Beys die sozialen Anliegen der Bauern, verstanden deren wirtschaftliche Lage, formulierten die jeweiligen 12 Artikel mit. Die Bürger in den Städten beanspruchten frühbürgerliche Rechte, mehr Mitsprache in der Stadt und in der Landschaft gegenüber den Herrschaften. Im Taubertal waren die Häcker, in den Weinbergen arbeitende Tagelöhner, Besitzer von handtuchschmalen kleinen Grundstücken, bei den Aufständischen. Ebenso formulierten die Handwerker in den städtischen Zünften ihre spezifischen Beschwerdeartikel. Gleichfalls waren Frauen aktiv in diesen Aufstandszeiten der gemeinen Haufen. Es war also ein Aufstand über die Bauernschaft weit hinaus, verschiedene Schichten waren in den hellen Haufen versammelt.
Das Schloss in Oberlauda, eine damals wohl durchaus beeindruckende Burg hoch auf einem Plateau des Schlossberges, war der Sitz des Amtmannes. In Lauda, früher auch Unterlauda genannt, waren der Keller und Hof der würzburgischen Herrschaft untergebracht. Also Weinkeller, Zehntscheune, Rentamt. Beim Amtmann von Riedern waren zwei Ritter, von Zobel und von Fechenbach. In Lauda gibt es einen Zobelhof. Die Zobel haben in der Gegend viele Besitzungen und Höfe. Ein würzburgisches Amt hatte Sigmund von Zobel nicht, er war aber würzburgischer Lehensritter. Fries nennt ihn Zobel von Eubigheim. Dort hatten die Zobel im Dorf viel Besitz. Er hatte den Adelszusatz Zobel zu Guttenberg. 1515 verkaufte er dem Würzburger Bischof ein Gut im Limbachhof, dem Guttenbergwald benachbart. Die Würzburger Bischöfe hatten großes Interesse den Guttenbergwald zu dominieren, zu ihrem Jagdgebiet auszubauen. 1529 ist er verstorben. Er könnte sich also in Lauda oder auf Zobelschen Gütern in der Nähe aufgehalten haben und zog, als sich der Tauberhaufen näherte zum Amtmann auf das Schloss. Ritter, die in würzburgischen Lehensverhältnissen standen, waren zudem vom Bischof aufgefordert worden, zu ihm nach Würzburg zu ziehen. Der Würzburger Bischof mußte wegen der Bauernaufstände in Oberschwaben – Vorderösterreich, 300 Reiter, also Adelige, Ritter abstellen. Ein stehendes Heer gab es damals noch nicht. Die beiden Ritter Hund von Wenkheim folgten dem Ruf nach Würzburg. Einer der beiden Hund von Wenkheim, Adam Hund, ritt bei den 300 adeligen Reitern mit, die zum Truchseß, zur Stärkung des neu aufgestellten Heeres des Schwäbischen Bundes, zur Niederschlagung der aufrührerischen Bauern in Oberchwaben, zogen. Er war also auch bei der Schlacht von Königshofen dabei. Ebenso wie ein Cousin von Florian Geyer, Ambrosius Geyer. Adam und Jörg Hund hatten kostbare Teile des Mobilars ihres Wenkheimer Schlosses zur sicheren Verwahrung auf das Oberlaudaer Schloss gebracht. Jörg Hund war einer der Verteidiger des Würzburger Schlosses auf dem Unserfrauenberg. Warum sich Erasmus Fechenbach im Oberlaudaer Schloss aufhielt, ist noch unklar. Aber beide, Sigmund von Zobel und Erasmus von Fechenbach hatten Knechte, Gefolge bei sich. Das deutet auf Tätigkeiten, Besuch, Gutsbesitz in der näheren Umgebung hin.
Es war also keine eingeübte Verteidigungstruppe, die zunächst auf den Schloßmauern und -türmen dem Bauernhaufen, an wenigen Punkten, gegenüberstand. Wieviele Vorräte an Munition, Pulver und Waffen vorhanden war, ist unbekannt. Der Amtmann ging davon aus, daß er das Schloss eine Zeit lang halten konnte. Da sollte also ein Munitions- und Waffenvorrat im Schloss gelagert sein. Zudem einige Vorräte an Essen und Trinken. In einem Brief an den Bischof schrieb der Amtmann allerdings, er hätte keinen Proviant und bat um Nachschub. In einem Schloss wird man allerdings auch nicht gerade von der Hand in den Mund gelebt haben. Geringe Vorräte für einige Tage sollten da schon vorhanden gewesen sein. Fries schätzt das Schloss als teilweise baufällig ein. Das dürfte vor allem ein Teil des Mauernwerks und der Mauerntürme, evtl. Tore betreffen. Der Amtmann hatte also versäumt, das Schloß in einem verteidigungsfähigen Zustand zu halten. Allerdings ist das Oberlaudaer Schloss ein sehr altes, was eine Reparatur des Mauernwerk sicherlich erschwerte, aufwändig machte. Zudem war das Amt Oberlauda erst seit 1505 in Würzburger Besitz, vorher Kurpfalz. Auch die hatte versäumt, das Schloß zu erneuern. Ein weiterer Nachteil war, dass das Schloß mit seinem Mauerwerk nach Angaben von Oehmann 16 000 qm umfasste. Eine Schnittzeichnung von Stephan Oehmann, dem Oberlaudaer Ortschronikautors, durch das Schloss zeigt eine Länge von 100 m. Das Schloss war auf drei Seiten zu verteidigen. Auf zwei geraden Mauernlinien und einer weit gebogenen. Die wenigen Verteidiger waren also in großem Abstand voneinander positioniert. Bei neun Mann mit Büchsen, bestanden also große Lücken. Hat man die neun auch noch konzentriert aufgestellt, also zum Beispiel je zwei auf den Türmen, dann gab es ganz beachtliche Abstände. Das bot Angreifern mit Sturmleitern große Angriffsmöglichkeiten. Der Würzburger Bischof war in einem Brief skeptischer als der Amtmann, ob das Schloss gegenüber dem Bauernhaufen mit einer Masse von bewaffneten Personen verteidigbar war. Der Würzburger Bischof hatte allerdings jede Menge erfahrener Ritter um sich, die ihn entsprechend bei militärischer Logistik beraten konnten. Dieser Sachverstand fehlte wohl dem Amtmann von Riedern, denn sein Entschluss die Oberlaudaer Burg verteidigen zu können, fundierte auf einer total zu nennenden Fehleinschätzung. Vielleicht glaubte er leichtfertig, mit einigen wenigen Schüssen die Bauern in die Flucht schlagen zu können. Nach Fries hat von Zobel den Amtmann bestärkt, das Schloss nicht überzugeben, sondern zu verteidigen. Man wolle und solle sich mit den Bauern mergeln. Der Amtmann wurde in seinem leichtsinnigen Verteidigungsgebaren auch dem Wohlbefinden seiner Familie, Ehefrau und Kindern nicht gerecht. Brachte deren Leben leichtfertig in große Gefahr. Ebenso das Leben des nicht wehrfähigen Gesindes wie Köche / Köchin, Magd, Kinderfrau, Diener. Und riskierte das kostbare Mobilar, Truhen wie der Ritter von Hund, das ihm anvertraut wurde.
Der Bauernhaufen war in großer Anzahl direkt vor das Schloss auf dem Schlossberg gerückt. Möglicherweise an mehreren Stellen, wie vor das Tor in der Mauer, über den Fußweg direkt oberhalb des Dorfes. Einheimische aus Lauda, Oberlauda, Heckfeld, Gerlachsheim, die das Schloss und dessen Lage und Wege kannten, dürften den Haufen angeführt haben. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Oberlaudaer EinwohnerInnen nicht an dem Sturm beteiligt hätten. Wieviel Vorsicht der Bauernhaufen dabei walten ließ, ist unklar. Aber man rückte dem Schloss mit Sicherheit direkt an die Seite bzw. an die Seiten. Im Gegensatz zu heute, war der Bereich um das Schloss nicht bewaldet. Bot also den anrückenden, angreifenden Bauern keinen besonderen Schutz. Hier lag der Vorteil auf Seiten der Schloßbesatzung, die hinter Zinnen, Schießscharten, Türmen besser geschützt waren. Ob der Amtmann für eine ausreichende Munitionierung der verteilten Verteidigungsstellen auf den Mauern, Türmen gesorgt hatte, ist nicht bekannt. Soweit sollte allerdings sein Sachverstand gereicht haben, dass ein permanenter Nachschub im laufenden Gefecht aufgrund der wenigen Verteidiger nicht möglich war.
Da der Bauernhaufen gegenüber einem bewaffneten, ummauerten Schloss an- und vorrückte, ist auch von einer entsprechenden Ausstattung, um es zu stürmen, auszugehen. Fries erwähnt vor allem „hacken, dupelhacken und andern buchsen“. Für einen Sturm einer ummauerten Burg werden auch Sturmleitern, Äxte, Seile mit Widerhaken benötigt, um in die Burg, auf die Mauern eindringen bzw. hinauf kommen zu können. Darüber finden wir bei Fries keinerlei Auskünfte. Er läßt die Bauern das Feuer eröffnen, nachdem der Amtmann die Übergabe des Schloßes verweigerte. Die Bauern haben also zunächst auf eine friedliche Lösung der Situation gesetzt. Sicherlich mit der eindeutigen Aufforderung, dass sich Amtmann, die Ritter, sich der christlichen Versammlung anschließen sollen. Oder sich in die Gefangenschaft zu begeben, wenn sie zwar das Schloß übergeben würden, sich aber nicht der christlichen Vereinigung anschließen wollten. Der Amtmann hatte also mehrere Optionen sich zu entscheiden. Er konnte das Wohl seiner Familie, Ehefrau, Kinder, der Burgbesatzung in seiner Entscheidung berücksichtigen oder nicht. Von Riedern waren seine ritterliche Ehre und seine Pflichten als Amtmann wichtiger.
Nun ein typischer Fries. Er läßt den Amtmann auf das eröffnete Feuer unverzagt und mannhaft reagieren. Auch das Verhalten von Zobels wird als mannhaft von Fries deklariert. Würzburgischer Bischof, würzburgische Amtmänner und Ritter werden gelobt, teilweise hochgelobt. Edelleute anderer Herrschaften dagegen auch teilweise aufgrund ihrer Reaktionen kritisiert, herabgesetzt. Der Amtmann schießt also ohne Angst, ohne zu zögern in die vor dem Schloss stehenden Bauern hinein. Ebenso die weiteren Verteidiger des Schlosses. Es kam sicherlich zu einem Blutbad unter den recht offen vor dem Schloss platzierten Bauern. Tote, Verwundete, Schwerverwundete. Ritter und reißige Knechte sollten ihr Kriegshandwerk verstehen, darin geübt sein. Und nicht nur in die Luft schießen. Wir erfahren von diesem Blutbad nur indirekt. Fries verschweigt sich hier verharrend in seiner Chronistenrolle und der fürstbischöflichen Räson dienend. Fries verrät uns diese verheimlichte Tatsache durch ein Zitat von Contz Bayr: „Es were nit on, dise gefangen leute hetten wider ir christlich versamlung gehandelt und sich also schwerlich vergessen, derwegen sie wol straf verdient heten.“ Der Amtmann, die Ritter, die reisigen Knechte haben wider die Christliche Versammlung gehandelt, das kann nur heißen, sie haben auf sie geschossen, sie haben getötet, sie haben verwundet. Wer eine Strafe verdient, der hat auch Gründe für die Strafe verursacht. Allein die Gegnerschaft, das Stehen des Amtmannes, der Ritter, der reisigen Knechte ist auf würzburger Seite ist nicht todesstrafwürdig. Die Aktion gegen den Bauernhaufen ist es, die Strafe verdient. Das Töten der Bauern in der christlichen Versammlung ist es. Contz Bayr hält das Lebenlassen von Amtmann, Ritter und reisigen Knechte im Schnellgerichtsverfahren des Spießgerichtes nur deshalb gerechtfertigt, weil Gott auf wundersame Weise sie in dem ausbrennenden Turm, in dem dichten Rauch hat überleben lassen. Hätte also Gott hier nicht eingegriffen, wären sie auch nach Contz Bayr des Todes schuldig, des durch die Spießejagens. Hier agiert die christliche Versammlung des Bauernhaufens im Spießgerichtverfahren nahezu biblisch. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sie haben auf dem Oberlaudaer Schloßberg beide Wangen hingehalten, mehr als Schläge erhalten, sondern Schüsse, die zu Tod und Verwundung führten. Da konnte Jesus Christus nicht mehr als Beispiel gewaltfreien Widerstandes dienen. Darauf erfolgt die typische Reaktion ihrer Zeit. Das Spießgericht. Weinsberg war hier nicht mehr fern. Sondern ganz nah. Auch wenn Weinsberg erst einen Tag später eintrat. Das entdecken wir nur, wenn wir Fries kritisch, nahezu hermeneutisch lesen und deuten.
Über die Länge der gewaltsamen Schießereien schweigt sich Fries aus. Ebenso über die Härte des Gefechts. Keine Verlustangaben auf beiden Seiten. Unblutig kann es nicht gewesen sein. Es wäre hier Platz gewesen, die Fähigkeiten der Verteidiger zu loben. Das läßt Fries aber aus. Unmittelbar stehen Entschluss des Amtmannes sich mannhaft zu wehren und der Entschluss, sich in den großen Wehrturm zurückziehen beieinander. Es könnte also eine kurze Zeitdauer der ersten bewaffneten Auseinandersetzung gewesen sein. Der Amtmann oder die beiden anderen Ritter, erkannten recht schnell, dass die Burg für die kleine Besatzung zu groß, zu weitläufig war, erkannten, dass die Bauern zu zahlreich auf das Schloss, genauer dessen Mauern und Tor einstürmten. Die Verteidigungsstrategie des Amtmannes war also sehr rasch in sich zusammengefallen. Das bedeutete auch, den Verlust von an den Wehrtürmen angelegten Pulver- und Steinkugelvorräten, von angesammelten Waffen, ebenso an den neuralgischen Punkten der Schlossmauer. Ebenso dort hinterlegte Vorräte an Essen und Trinkwasser. Zu gute halten muss man dem Amtmann, dass er zum erstenmal mit einem Aufstand seiner sonst mehr oder weniger gefügigen Untertanen konfrontiert wurde. Was Fehleinschätzungen leicht ermöglicht. Zudem waren seine aufständischen Untertanen von jeder Menge anderer Bauern und Bürger verstärkt. Das ging über den Horizont des Amtmannes hinaus, da war er gefordert und gänzlich überfordert.
Die Strategie der Bauernhaufen war es zu Beginn des Aufstandes, ein geschlossenes Territoritum des Aufstandes zu erreichen. Also keine Hinterhalte hinter sich zu lassen, keine Flecken im Aufstandsgebiet. Das war eine sehr klare Linie der Bauernhaufen. Erleichterte das weitere Vorgehen, wenn man sich nur gegen äußere Feinde richten muß und nicht Kräfte zur Bekämpfung, Niederhaltung im Inneren der schon eroberten Gebiete bereithalten muss. Dieses Bemühen um geschlossene Reihen, Amtsbezirke und Zentgebiete zeigt sich bei den Aufstandsanfängen in den gegenseitigen Aufmahnungen zum Anschluss an die christliche Versammlung der Bauern in den benachbarten Dörfern. Hier wird zum Zuzug aufgefordert, durchaus im drastischen Tonfall, durchaus mit der Drohung, ansonsten direkt im Dorf vorzusprechen, anzumarschieren. Oberlauda kann in diese Strategie der Vereinheitlichung der Aufstandsterritorien der christlichen Versammlung eingeordnet werden. Hier war ein kleiner Fleck übrig des alten Herrschaftsbereiches, ein Dorn im Fleisch des Bauernhaufens, der beseitigt werden mußte. Die alte Macht mußte weg, den Ton, sprich die Politik, gaben die hellen Haufen nun an. Deshalb mußte Oberlauda fallen, deshalb wurde auch zur Gewalt gegriffen, aber nicht ohne vorher die Adeligen im Schloss zur Übergabe und besonders zum Anschluss zur christlichen Versammlungen aufzufordern. Bei einigen Autoren zum Sturm der Oberlaudaer Burg ist zu lesen, dass der Amtmann bei seinen Untertanen verhaßt war. Trotz dass er beim Tauberhochwasser die fälligen Gülten ausgesetzt hätte. Das war eine bei Ernteausfällen übliche Maßnahme. Wenn keine zehn Getreidebüschel zur Auswahl des Zehnten vorhanden waren, gab es auch nichts zu verteilen. Das erledigte sich bei den Zehntabgaben von selbst, bei den Gülten, die eine Art Zins auf gepachtete Ackerflächen waren, mußte das im Katastrophenfall angepasst, d. h. ausgesetzt werden. Der Amtskeller spricht in seinen Briefen an den Würzburger Bischof weitere „Vergünstigungen“ gegenüber Stadt und Bauern an. Beliebt war sicherlich kein Amtmann. Dazu war seine Rolle als Verwaltungsamtmann, aber auch als gleichzeitiger Gerichtsherr zu sehr in viele Vorgänge, streitbare Gerichtsverhandlungen involviert. Aber das kann nicht der Grund gewesen sein, warum die Auseinandersetzungen um das Oberlaudaer Schloss so schnell eskalierten. Der auf die verweigerte Übergabe folgende blutige Kampf um und auf dem Schlossgelände war es, der die beteiligten Bauern in Rage brachten. Die Opfer auf ihrer Seite.
Die fehlende Zeitangabe bei Fries zum ersten Kampfgeschehen suggeriert es wäre kurz gewesen, es wäre nicht viel passiert. Das könnte Strategie von Fries sein, zu verschweigen, dass es durch die würzburgischen Verteidiger des Schlosses erhebliche Verluste bei den Bauern gab. Das macht dann die Aktion des angedrohten durch die Spießelaufens umso unsinniger, zählt äußerst negativ auf die Seite der Bauern ein als gewaltbereite, rohe, gar primitive Zeitgenossen. Ein Bild, das Fries gerne in seiner Bauernkriegschronik an verschiedenen Stellen zeichnet.
Die Verteidiger des Schlosses ziehen sich in den großen Wehrturm zurück. Wieviele Vorräte an Kugeln, Pulver, Waffen, Wasser, Lebensmittel dort schon im vornherein gelagert wurden, wissen wir nicht. Möglicherweise hatte der Turm einen Keller, ein Verließ, ein Gewölbe der oder das zur Lagerung geeignet war. Im Innern war der große Wehrturm (Bergfried) mit Holz ausgebaut. Die Treppe, möglicherweise auch hölzerne Zwischendecken mit Gemachen. Fries schreibt von Gezimmer, das könnte das hölzerne Fachwerk im Turm sein, aber auch räumliche Gemache. Ganz oben ein geschlossener Bereich. Darüber eine hölzerne Dachunterkonstruktion. Wir wissen nach Fries nicht, ob der Amtmann Frau, Kinder, Gesinde mit in den Wehrturm nahm, oder in den festen Gebäuden des Schlosses zurückließ. Auch diese Maßnahme des Amtmannes endet im Desaster. Das hohe Hauptgebäude des Schlosses ist an den großen Turm angebaut, wenn auch mit kurzem Zwischenraum. Reicht fast in Turmeshöhe. Möglicherweise gab es von oberen Stockwerken des Palas aus eine hölzerne, überdachte Verbindungsbrücke zum Bergfried. Nach Fries wird die Kemenate angezündet. Sicherlich besonders auch die Dachkonstruktion. Die Flammen schlagen bald hoch aus, erreichen die hölzerne Dachkonstruktion des Wehrturmes. Der steht damit schnell in Flammen. Es muss vom Tal aus ein beeindruckend schreckliches Bild gewesen sein, Schloss und Turm in hochlodernden Flammen, in dunklen Rauchschwaden zu sehen. Löschwasservorräte dürften im Turm kaum vorhanden gewesen sein. Das Feuer im Turm frass sich von oben nach unten. Die Verteidiger mußten sich immer mehr in die Tiefe des Turmes zurückziehen. Ein Verteidigen durch Beschuß aus den Schießscharten wurde immer mehr unmöglich. Die Bauern konnten außen abwarten, wie die Flammen ihre Arbeit erledigten, wann Amtmann und Ritter die Aufgabe anboten, um Rettung jammerten. Die Bauern nutzen die Zeit, um aus den Gebäuden des Schlosses brauchbare Teile wie das Mobilar, Geschirr auszuräumen. Allerdings war das keine wilde Plünderei. Der Bauernhaufen hatte nach dem Vorbild der damaligen Heeresorganisation Proviantmeister, die das Erbeutete auf Wägen in die Bauernlager brachten. Die Frau des Amtmannes bekam auf diese Weise nach dem Ende des Bauernkrieges neben ihren Mann auch noch einiges an Geschirr zurück. Der Rückzug in den Wehrturm erwies sich als wenig sinnvoll. Die Verteidigungsstrategien des Amtmannes endeten allesamt als Fehlschläge. Wenn es ein Buch gäbe, wie man eine Burg auf keinen Fall verteidigen sollte, es fände in Oberlauda auf dem Schloßberg ihren Hauptstoff.
Es muß ein Keller, ein steinernes oder gemauertes Gewölbe, eine Vertiefung im Turm vorhanden gewesen sein. Vor allem auch eine eisenbeschlagene Tür, die dem Feuer standhielt. Ritzen an den Seiten konnten mit nassen Tüchern gegen Eindringen von Rauch abgedeckt werden. Alles Holz im Turm brannte von oben nach unten durch. Brennende Treppenteile sind nach und nach nach unten gestürzt. Möglicherweise sind auch Teile der Turmmauern eingestürzt. Der Rauch im Turm wurde immer dichter. Die ganze Nacht brannte und glimmte es. Das verunmöglichte es auch, dass Amtmann samt Ritter und Reißigen aus dem Turm heraus konnten. Die Bauern deswegen auch nicht hinein. Das war auch nicht nötig. Am nächsten Morgen schrieen Amtmann, Ritter und Reißigen um Hilfe, um Aufgabe und Gnade für sich. Sie schrieen um ihr Leben. Wie gewohnt ist hier in der Schilderung der genaue Vorgänge wieder äußerst ungenau. Die Gnade solle von den Bauern verweigert worden sein. Was heißt das aber genau? Schließlich kamen Amtmann, Ritter, Reißige doch aus dem Turm heraus und wurden nicht direkt vorort urteillos abgestochen! Die Fries’sche Verwirrsprache scheint darauf abgestimmt zu sein, ein negatives Bild der Bauern zu zeichnen. Auch da wo es gar von den Vorgängen her nicht stimmig ist. Nun kommt die Fries’sche Sternstunde. In den Detailbeschreibungen, wie armselig mit der Amtmannsfrau und ihren Kindern bäuerlicherseits verfahren wurde. Man zog sie und die Kinder bis auf die Hemder aus. Also bis auf die Unterhemden. Die herrschaftlichen Gewande wurden also Frau und Kinder entzogen. Ebenso Schuhwerk und Hauben. Und das morgens Mitte April. Die Amtmännin war zudem hochschwanger. Möglicherweise hatten die Gewänder auch durch die Brände längst gelitten, waren angekohlt. Frau und Kinder wurden also sehr hart von den Bauern angefasst, nachdem sie schon eine nächtliche Brandkatastrophe, die drastischen Niederlagen ihres so mannhaften Vaters mit verfolgen mußten. Aber Frau und Kinder wurden demnach nicht zu Gefangenen gemacht. Sondern sie konnten sich frei bewegen, wenn auch unzulänglich gekleidet. Nach Fries wurden nun auch weitere Personen im Schloss aufgegriffen. Warum hätten die die Bauern nicht schon vorher aufgreifen sollen? Möglicherweise in Zimmern eingeschlossen, die Türen verschlossen und verrammelt? Nicht die wahre Strategie, wenn das Haus brennt. Zwingende, sinnhafte Logik der Abläufe ist nicht immer die Fries’sche Schreibsache.
Alle Gefangenen wurden gefesselt, die Hände auf den Rücken gebunden. Und in das Lager des Bauernhaufen vor der Stadt Lauda geführt. Die Amtmannsfrau und ihre Kinder begleiteten den Zug dorthin. Sicher unter Gejohle, Verhöhnungen, wilden Sprüchen. Die Amtmännin hielt sich tapfer, kämpfte mehr für ihren Mann, als der für ihren Schutz. Forderte immer wieder Gnade für ihn. Forderte die Freilassung. Hier überschlägt sich Fries fast in seiner Darstellungskunst. Er drückt auf die Tränendrüsen, schreibt in vollendeter Mitleidstour. Auch hier wieder erkennbar die Ausarbeitung von negativen Zügen der Bauern, fast eine Dämonisierung. Wenn es darauf ankommt, wird er wieder schlagartig ungenau. Er verbleibt bei einem wilden Durcheinanderschreihen der Bauern, bei der Forderung, Amtmann, Ritter und Reißige durch die Spieße zu jagen. Die Bauernhaufen waren allerdings sehr darauf bedacht, sich eine Ordnung zu geben und diese auch einzuhalten. Das spiegelt wieder, dass man die alte Ordnung reformieren wollte und eine neue schaffen. Beim sich eine Ordnung für den Bauernhaufen, für das Lagerleben geben orientierte man sich dennoch an den alt gewohnten Vorbildern. Vor allem dem der Landsknechte, um die Bauernhaufen zu organisieren. Da ging ein durch die Spieße jagen ein Schnellgericht zuvor, das Spießgericht. Es spricht außer Fries, der davon schweigt, nichts dagegen, daß es dieses auch im Lager vor Lauda gegeben hat. Fries wird zwar ausführlich, aber zeigt erneut keine stringente Darstellung. Daß auch auf der bäuerlichen Seite Ordnung herrschte lag nicht in seinem Deutungsmuster, nicht in seinem Verständnis, war auch nicht Intention seiner Chronistenschreiberei. Dass die Bauern selbst in dieser heiklen, hoch erhitzten Situation nach Regeln vorgingen, schmeckt Fries überhaupt nicht. Da lieber Stückwerk in der Beschreibung der Vorgänge abliefern. Cuntz Bayr, der von den Verhandlungen mit der Stadt Bischofsheim wegen der Herausgabe von Geschützen in das Lager vor Lauda zurückgekehrt war, den Sturm des Oberlaudaer Schlosses also gar nicht miterlebt hat, gibt im Spießgericht einen durchaus wortgewandten, einflussstarken Berufsverteidiger für den Amtmann. Verteidigt diesen besser als der sich selbst. Wie schon weiter vorne ausgeführt, verrät Fries indirekt das Verschulden von Amtmann, Ritter und Reißigen, das zu ihrem Tod durch das Spießejagen führen soll. Sie hätten gegen die christliche Versammlung der Bauern gehandelt. Sie hätten sich vergessen. Sie hätten entschiedene Strafe verdient. Mit der gewalttätigen Handlung gegen die christliche Versammlung ist das Schießen von Amtmann, Ritter, Reißigen auf die Bauern gemeint, das Töten, das Verwunden. Mit dem sich vergessen das Vergessen dessen, wie sich ein Christ verhalten solle. Auch in einer solchen Situation, in der die Bauern zuerst Amtmann, Ritter und Reißige zum Anschluß an ihre christliche Vereinigung eingeladen hatten. Friedlich, mit Schlossübergabe. Nur daraus ergibt sich die Straffälligkeit. Es war zu dieser Zeit üblich, wenn eine Burg nach abgelehnter Übergabe gewaltsam unter Opfern erstürmt wurde, dass auch die dann noch restliche Überlebenden der Burgbesatzung nach einem Spießgericht durch die Spieße gejagt wurden. Die Bauern hielten sich also in Lauda an die vorhandenen Regeln. Zeigten damit kein außergewöhnliches Verhalten. Sie handelten vielmehr sogar edel, indem sie Amtmann, Ritter und Reißige nach den klugen Worten von Cuntz Bayr und anderer Hauptleute am Leben ließen und dann Richtung Markelsheim bzw. Mergentheim abtransportierten. Zudem durfte die Frau des Amtmannes frei und unbehelligt bei diesem Spießgericht das Wort für ihren Mann ergreifen, was sie auch in beeindruckender Weise machte. Auch wenn viele der Bauern für das durch Spießejagen lautestens riefen. Letztendlich hörten sie auf die eindringlichen Argumente ihrer Hauptleute. So nahm das Spießgericht vor Lauda einen etwas anderen Ausgang als die meisten anderen Spießgerichte.
Fries steigert sich zum Schluß nochmals in seiner bekannten negativen Darstellungsweise der bäuerlichen Seite. Er läßt sie krakeelen, gegenüber den Gefangenen ausfällig und sehr bedrohlich werden. Trotz des gefällten Urteils, was Fries ja unterschlägt, weil es nicht in seinen Darstellungsduktus, wie Bauern sind, hineinpasst. Dass solche Gefangenenabtransporte keine Freudenveranstaltungen sind, ist nachvollziehbar für diese Zeit. Da gab es noch keine gegenseitigen Vereinbarungen zum Schutz von Gefangenen. Der Pfeifer von Niklashausen wurde auch nicht unter bevorzugter Feinbehandlung 1476 nach Würzburg verfrachtet und dort verbrannt.
18. Juni 2024
Zur Oberlaudaer Schlosserstürmung gibt es noch eine PDF mit Textkritik von bisher erschienenen Schriften zur Erstürmung. Erhältlich unter:
https://magentacloud.de/s/9b8P6PcqYkdNTJq
________________________________________________________
Beispiele gelenkter fränkischer Bauernkriegs-Erinnerungskultur
Zum Begräbnis Monument von Conrad von Thüngen, Würzburger Bischof, 1540 gestorben, hat Lorenz Fries eine lateinische Inscription verfasst, die Ignatio Gropp "verteutschet" hat:
"Conraden von Thüngen, Bischoff zu Wirtzburg und Herzog zu Francken, der da war ein Mann fürtrefflicher Gerechtigkeit, ansehnlicher Lehr, sonderlicher Mäßigkeit und scharpffen Verstands. Als er kaum in seine Regierung getretten, die Zweyung, Aufruhr und betrügliche Untreu dieser gefährlichen beschwerlichen Zeit höchlich angetast, und mit seinem Stifft gar nahe zu Boden gestürzt hatte, wo er durch GOttes Hülf die ungestümmen Wellen des wütenden Unglücks mit wackerer Fürsicht, beständigen Gleichheit und wunderbarlicher Gedult, vernünfftiglichen nicht abgewiesen hätte. Darum er wohl würdig gewesen, daß er zu besserer Zeit regieret haben solt. ...
Kunst-Spruch Joann. Episcopii.
...
Als er ins Regiment nun tratt,
Zwentzig und ein Jar regirt hat,
Gantz löblich, nützlich und gar wol;
Von Unglück dann man sagen soll.
Der Bauern-Krieg hebt sich schnell an,
Er wurd von seinen Underthan
Gar hart belegert in solchen Aufruhr
Der Bauren, und ihr Eidschwur,
Alda hat er mit grossem Schmertzn,
Und auch mit gar betrübten Hertzn
Erstlich gesehen sein gantz Land
Aufrührisch wider sich zu Hand.
Darzu die schönen Clöster all,
Deßgleichen auch die Schloß im fall
verwüsten und verheeren gar,
Mit Feuer verbrennen solche zwar.
Freylich keins Lachens war der Zeit,
Es war ihm in Hertz treulich leid.
Letz zug er hin aus diesem Thal
Des Jammers und aller Trübsal,
...
EPITAPHIUM.
Der schnöde Aufruhr sich bald endt
Der Bawren, die thet ihm groß Leid,
Daß er war gantz zu solcher Zeit
Sampt seinem Stifft in höchster G'fahr,
Der Todt ihn'n all'n auch nicht weit war;
Wo diser Fürst nicht durch Beystand
Göttlicher Hilff alda zu Hand,
Solch groß Unglück ausg'standen het
Durch fleißig Acht und Weißheit stet.
Und durch unverzagt Redlichkeit,
Welche fürtrefflich ist allzeit.
Gedultig er dazu auch war,
Drumb hullf ihm GOtt aus diser G'far.
Weil nun hat gestanden für
Disem Bisthum nach der Gebür;
...
Ein andere Grabschrifft Bischoffs Conrads von Thüngen
Als ihn die wütend Bauers-Schar
Sein's Stiffts und Lands entsetzet gar;
Er und die Seine in höchster Gefahr
Waren, nahm er es gar weißlich wahr.
Den Handel er wohl richtet zu,
Durch GOttes Gnad, daß solch Unruh,
Auch andere mehr Unglück darzu
Gestillet wardt, dann wan und wu
Sein Landt und Stifft in Nöthen war,
War er zu helffen geflissen gar".
...
Würzburgische Chronik von Ignatio Gropp 1748, Seite 78 - 82
"Die These von der gelenkten Erinnerungskultur besitzt in diesem Sinn zwei Dimensionen. Erstens versuchten die Herrschenden kurz nach der ‚Erhebung‘, die Sichtweise von der Illegitimität der ‚Erhebung‘ durchzusetzen. Zweitens existierte neben diesem Konsens ein Deutungskampf um die Stellung der jeweiligen Institutionen während und nach der ‚Erhebung‘. Die Darstellungen lassen sich in diesem Sinn als politisch motivierte Interventionsversuche lesen, diese Erinnerungskultur zu beeinflussen."
(Benjamin Heidenreich: Ein Ereignis ohne Namen? Zu den Vorstellungen des 'Bauernkriegs' von 1525 in den Schriften der 'Aufständischen' und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung. 2019, Seite 260)
Auch wenn das Zitat von Benjamin Heidenreich auf die zeitgenössischen Schreiber wie Zweifel, Harer, Fries, Geyer usw. zielt, kann dies auch auf die Wirtzburgische Chronik von Ignatio Gropp von 1748 genutzt werden, die Heidenreich erstaunlicherweise in seinem Buch nicht beachtet. Gropp sieht sich im Sinne der Würzburgischen Institutionengeschichte, also Stift und Diozese und entsprechend gestaltet sich seine Chronik, seine Erwähnungen zum Bauernkrieg im Sinne einer gelenkten Erinnerungskultur.
"Auf der Ebene der Argumentation ist entscheidend, welche Vorstellungen einer idealen Herrschaft in den Texten entworfen wird und wie die Autoren ihre Obrigkeit entsprechend diesem Schema bewerten. Hierzu ziehen die Geschichtsschreiber eigene Schlüsse, zitieren Zeitgenossen oder verweisen auf entsprechende Ereignisse wie Triumphzüge oder auf das vermeintliche Eingreifen Gottes, welcher die Protagonisten für ihre Rechtschaffenheit ausgezeichnet habe." (Ebenfalls Benjamin Heidenreich, Seite 260)
Die Grabinschriften zu Conrad von Thüngen sind eindeutige Deutungsmuster, ihn als idealen Herrscher zu Franken zu präsentieren. Statt das Weiterexistierens des fränkischen Stifts durch den Vormarsch und die Siege des Heeres des Schwäbischen Bundes darzulegen, wird die göttliche Hilfe, der göttliche Bischof-Beistand als Retter des Würzburgischen Stiftes genannt. Gott hat also die Bauern auf dem Königshöfer Turmberg am 2. Juni 1525 und am 4. Juni 1525 bei Sulzdorf / Ingolstadt entscheidend geschlagen. Nach den Fries'- und Gropp'schen gelenkten Erinnerungskultur-Wendungen. Als ob göttlichster Einschlag die Bauern allein in die Flucht getrieben hätte.
Fraglich, warum Benjamin Heidenreich in seinem interessanten und bedenkenswerten Buch zum Bauernkrieg, zur Wirkung der 12 Artikel und der auf den Bauernkrieg folgenden Erinnerungskultur, Ignatio Gropp mit seiner Wirtzburgischen Chronik beiseite gelassen hat. Samt seiner Erinnerung bzw. Aufarbeitung des fränkischen Bauernkrieges. Zumal die Gropp'sche Chronik als Druck vorlag und entsprechend weit verbreitet war und damit direkte Wirkung auf die Leserschaft zeigte und die Weiterverbreitung, Weiterverarbeitung dieser Darstellung des Bauernkrieges in Franken induzierte. Ebenso bedauerlich, dass Heidenreich die 34 Punkte des Bischofsheimer Rechenschaftsberichtes "Bericht der von Bischoffsheim irer handelung der bawrschafft" nicht in seinem Werk behandelt. Mit Heidenreich gehen auf alle Fälle die Interpretationsversuche der 12 Artikel in ihren Varianten, der Schreiben der Bauernhaufen auch nach Peter Blickle weiter, da sich neue bisher kaum behandelte Arbeitsfelder auftun.
Bischof Thüngen benötigte nach dem Bauernkrieg mit vielen Toten und Hingerichteten römische Absolution. Dennoch kann dieser Bischof das Blut seiner Untertanen nicht wegwischen. Das fällt auch bei der Gestaltung seines Grabmales auf:
"Das Denkmal ist bei genauerem Zusehen eines der erschütterndsten des Domes. Selten ist auf einem Grabdenkmal der deutliche Abstand von Gott und den Menschen so deutlich dargestellt wie bei Konrad von Thüngen. Er schaut nicht zum Gekreuzigten auf, sondern an ihm vorbei, resigniert, versteinert, geradezu mit einer ängstlichen Müdigkeit."
(Rudolf Kuhn: Großer Führer durch Würzburg Dom und Neumünster, 1968)
Foto: Walter Kees