Regionale Literatur 2015
Peter Blickle: Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. Georg Truchsess von Waldburg 1488 -1531. C. H. Beck, München 2015
Auch wenn es größtenteils nicht unsere Region betrifft, ein sehr wichtiges Buch für unsere Region. Der Bauernjörg, der als Feldherr die Schlacht im Bauernkrieg auf dem Turmberg bei Königshofen geschlagen hat, gewonnen hat, die tauberfränkischen Hoffnungen auf Reformation und christliche Gemeinschaft zerschlug, steht im Mittelpunkt der Betrachtungen von Peter Blickle. Das eröffnet viele neue Perspektiven auf den Zug des bündischen Heeres nach Franken, besonders auf den Hauptmann dieses Heeres, Georg Truchsess von Waldburg.
In historischer Parallelität soll dieses Werk über den Feldherrn aus Oberschwaben beachtet werden, wie Baumanns Aktensammlung zum Oberschwäbischen Bauernkrieg, in der wichtigste Augenzeugenberichte über die Schlacht von Königshofen niedergelegt sind, aber in Franken völlig unbeachtet blieben. Bis der Traum-a-Land e. V. mit seiner Veröffentlichung zur Bauernkriegsschlacht auf dem Turmberg 1997 diese für die fränkische Sicht wiedergewinnen und damit für den Nachvollzug der Schlacht nutzbar machen konnte. Blickle weist in einer Fußnote auf die Webseite www.traumaland.de hin, auf der diese Quellen und Augenzeugen sowie die ausführlichen Interpretationen lesbar sind. Blicke weist besonders auf die topographischen Kenntnisse hin, die auf der Traumaland-Webseite geboten werden. Das hindert ihn leider nicht, Königshofen bzw. den Ort der Bauernkriegsschlacht vom 2. Juni 1525 zweimal an den Main zu verlegen.
Umso genauer und detailreicher geht Blickle für die Landschaft Oberschwaben vor, so dass solche kleine Fehlerchen nur Randanektödchen bleiben. Immer wieder, in neuen Artikeln, Episoden, Blickwinkeln nimmt Blickle den Truchsess ins Visier. Blickle wirft wissenschaftlich fundierte Einsichten in die kaum erforschten Waldburgischen Archive und holt viel bisher Vernachlässigtes, enorm Unbekanntes heraus. Klärt uns über den wahren Charakter des Schreibers des Truchsesses auf. Der Truchseß legte viel Wert, dass ein bestimmtes Bild von ihm und seinen Taten der Nachwelt überliefert wird, dass seine Sicht auf den Bauernkrieg zu einer wesentlichen wird.
Das ist auch notwendig gewesen, denn der feine Blick von Blickle zeigt auf, dass der Bauernkrieg in Oberschwaben gar nicht von den Bauern ausging, sondern durch den Truchsess erklärt wurde. Blickle fragt nach der Legitimität der Handlungen des Truchsesses und findet keine. Der Truchsess wertet die Empörung der Bauern schon als Landfriedensbruch. Die goldene Bulle, die verhindern soll, dass Adlige sich gegen den Kaiser verbünden, wird umgemünzt auf die Bauern, die sich gegen ihre Orts- und Landesherrn verbünden. Obwohl in der goldenen Bulle die Bauern nicht angesprochen sind. Legalität und Legitimität der Aktionen der Adligen, des Schwäbischen Bundes gegenüber den Bauern sind in schwerster Krise, sind gar nicht gegeben. Da helfen nur Gewaltakte gegenüber den sich empörenden Bauern. Die ja nicht auf Gewalt aus sind sondern auf Verbesserung der Lebensverhältnisse und Verträge schließen wollen. Dagegen kennt der Adel nur einseitige Unterwerfung der Bauern und Bürger. Selbst Weinsberg sieht Blickle in dieser Hinsicht neu. Denn dass bei einer Eroberung einer Burg, die Widerstand leistende Besatzung über die Klinge springen mußte, war damals durchaus üblich. Man fürchtete die Rache, und entledigte sich dieser Sorge, indem man sich radikal der später Rache nehmenden Besatzung entledigte.
Blickle richtet auch seine Aufmerksamkeit auf die Züge des Truchsess. Dem Truchseß sind zwar viele Adlige und Heerführer beigeordnet, dennoch setzt der Truchsess vielfach auch gegen den Rat, gegen Einsprüche seine Vorgehensweise durch. Das in Zahlen mächtige Fußvolk ist ein permanenter Unsicherheitsfaktor durch Verweigerung. Der Heerzug hat den gewalttätigen Charakter eines marodierenden Haufens. Er wird von Freund und Feind gefürchtet aufgrund der von ihm ausgehenden Plünderungen, Brandschatzungen, Hinrichtungen. Viele Beschwerden erreichen deswegen den Sitz des Schwäbischen Bundes.
Auch Blickle erkennt die militärische Schwäche der Bauernhaufen. Obwohl diese topographisch günstige Standorte für die Konfrontation mit dem vom Truchsess geführten Heer einnehmen, setzt sich entscheidend immer der Einsatz der Reisigen, der Berittenen, der Reiterfahne durch. Im Gegensatz zu den Eidgenossen verwenden die Bauern nur den Sauspieß und keine der vier Meter langen Lanzen, mit dem auch das Fußvolk sich gegenüber der Reiterei verteidigen kann. Den Bauern fehlt auch das Zusammenwirken von Reiterei, Fußvolk und Artillerie. Sobald es zu Gefechten zwischen der bündischen und bäuerlich-bürgerlichen Artillerie kam, war kein großer Unterschied erkennbar, obwohl der bündischen Artillerie der Fachmann seiner Zeit, Michael von Echterdingen (Achterdingen) als Befehlshaber vorstand. Auch die bäuerlich-bürgerliche Artillerie wurde von Spezialisten bedient und entsprechend wirksam.
Der Truchseß hatte ein wirksames Spionagesystem. Er wußte fast immer über seine Gegner, über ihre Lage und Verfassung, bescheid. Dagegen funktionierte das Informationssystem der Bauern und Bürger viel zu langsam. Das war auch entscheidend für den Verlauf der Schlacht von Königshofen. Die Haufen machten sich viel zu langsam auf dem Weg nach Königshofen. Das fränkische Bauernheer konnte sich nur zersplittert dem Truchsess gegenüber stellen. In der Doppelschlacht von Königshofen und Ingolstadt. Die in der Landdefension geschulten Bauern der Rothenburger Landwehr nahmen an keiner der beiden Schlachten teil. Der Siegeszug des Truchsesses wurde durch solche organisatorischen Unzulänglichkeiten auf der bäuerlich-bürgerlichen Seite erheblich begünstigt. Die Verweigerungen der Landsknechte spielten nie eine entscheidende Rolle in den Bauernkriegsschlachten. Als der Truchsess von Georg von Frundsberg als Führer des bündischen Heeres abgelöst wurde, war die militärische Strafaktion nicht mehr im Mittelpunkt wie unter der Führung des Truchsess.
Als der Kaiser eine lobende Urkunde als Retter des Reiches ausstellen ließ, veranlasste der Truchsess erhebliche Änderungen des Textes, damit seine Rolle besonders hervorgehoben wurde. Das bewilligte der Kaiser ihm und so gibt es zwei unterschiedliche Urkunden dazu mit demselben Datum. Der Truchsess investierte mehr Sorgfalt in die Gestaltung seines Nachruhms als in das Nachdenken über die Ursachen des Bauernkrieges.
Herausgeber BUNDSCHUH e.V.: BUNDSCHUH gegen Daimler-Benz. Der Fall (der) Teststrecke Boxberg. Autoren: Uschi Hergt-Oellers, Horst Oellers, Walter Rukaber, Dr. Dieter Thoma, Siegfried de Witt, Hansjörg Wurster. VAS - Verlag für Akademische Schriften. Bad Homburg 2015
Endlich liegt sie vor. Liegt es vor. Die Doku des Kampfes Bundschuh gegen Daimler-Benz. Das Buch gegen die Teststrecke Boxberg. Vor lang lang langer Zeit angekündigt. Nahezu Jahrzehnte her. Und nun doch tatsächlich fertiggestellt. Endlich Erschienen. Wenn auch zunächst fast außerhalb der Öffentlichkeit. Da es kaum Hinweise in der Presse gab. Bei Amazon das Buch einige Zeit lang nicht erhältlich war.
Ein Buch der Region Tauber-Franken. Der Geschichte Tauber-Frankens. Des Baulands. Umpfertals. Und doch eine auch weit über diese Heimatregionen hinaus. Innerlich ergriffen, fast zärtlich gestimmt nimmt man das Buch in die Hand. Ein wie im Vorwort eingeräumt parteiisches Buch. Aber keines mit wutverzerrtem Schaum vor dem Mund Geschriebenes. Dokumentarisch, kenntnisreich über viele ansonsten längst vergessene, aber wichtige Details. Überraschend analytisch, nachdenklich, auch über die eigene Motivationen, innere Geschichte, aufgetretene Widersprüche. Mehr als nur reiner Nachvollzug der Schwabhäuser Widerstandsgeschichte seit 1978.
Milde wird eingeräumt, dass die Zeit Wunden heilt. Auch die der Schwabhäuser. Der Boxberger. Nachkommende Generation wissen kaum noch etwas über diese Geschichte, die weit über lokale Belange Bedeutung erlangte. Landesweit. Bundesweit. Viele der Schwabhäuser Bauern, die im BUNDSCHUH-Widerstand waren, sind längst verstorben. Man schaue in das Kapital "Führende Köpfe des BUNDSCHUHS". So auch einige der Autoren. Das Buch ist wohl zu unterschiedlichen Zeiträumen geschrieben worden. Nachträge erklären spätere Ereignisse und Zusammenhänge. Leider wird nicht vermerkt, wer die redaktionelle Gesamtarbeit übernommen hat, um die schon vor langer Zeit erstellten Kapitel in ein Ganzes zusammenzufügen. Eine gelungene Leistung. Dem Schwabhäuser Widerstand, der Widerstandsgeschichte angemessen. Passend. Dem Buch vorangestellt ist ein Zitat des Bauerns August Ehrly, 1996 gestorben: "Wir müssen unsere Geschichte aufschreiben, sonst geht sie verloren!" Dieses geforderte Aufschreiben ist mit diesem Buch gelungen, eingelöst. Man wünscht dem Buch weite Verbreitung, Kenntnisnahme.
Im Januar 1978 versuchten Daimler-Benz im Bund mit Landes- und Lokalpolitik die Böden besitzenden Bauern Boxbergs zu überrollen. Mit der Planung einer Teststrecke, die für diesen randständigen Landstrich als Lösung der wirtschaftlichen Probleme, als Verheißung für die Zukunft offenbart wurde. Längst war in Absprachen dieses Ziel festgezurrt, bevor die Bevölkerung, die Betroffenen informiert wurden. Landbesitzer wie der Fürst von Leiningen, aber auch Boxberger Einwohner, die auf dem geplanten Areal Flächen hatten, waren schnell verkaufsbereit. Witterten sie eine seltene Chance geldlicher Realisierung. Nur ein nahezu gallisches Dorf namens Schwabhausen, einige Aussiedlerbauernhöfe verweigerten sich dieser Zukunftsversprechung. Das schildert auch das Dilemma der Bundschuh-Bauern. Aufgrund ihrer Weigerung ausgegrenzt aus der dörflichen Gemeinschaft, angefeindet von denen, die sich persönlichen Reichtum, Arbeitsplätze versprachen. Familien zerbrachen, alte Freundschaften. Man war entweder dafür oder dagegen. Entweder oder. Es gab keinen gemeinsamen Nenner mehr.
Der Bundschuh-Widerstand, dessen Bauen, Familien waren schnell isoliert. Man hatte die Region, deren politischen Vertreter als Gegner, wurde als Zukunftsverweigerer verschrieen. Erste Unterstützung kam von den Jugendhausinitiativen der Region, dem Traum-a-land-Zusammenschluß, von regionalen Alternativzeitungen, Ökogruppen. Als einer der Oberrebellen, Herbert Hettinger, den Rezensenten zuhause aufsuchte, kam man sich schnell persönlich näher. Die Bauern hatten den Wunsch, dass wir ihnen bei der Erstellung eines Flugblattes behilflich wären. Dem Informationsblatt Nr. 2. Auf der beiliegenden DVD als PDF erhältlich. Die Forderungen der Bauern wurden auf den Punkt gebracht, mit Bauernkriegssymbolik versehen, ein Thomas Müntzer Zitat "Die Herren machen es selber, dass ihnen der arme Mann feind wird". Die Bildsprache des Informationsblattes passte, die Bauern waren begeistert. Von nun an gehörten Phantasie, politische Hoffnung, geschichtliches Bewußtsein, klare Forderungen, treffliche Symbolik zum Bundschuh-Widerstand. Der Bundschuh-Widerstand wurde bunt und breit. Weitere Gruppen schlossen sich an. Der Widerstand öffnete sich in das Land Baden-Württemberg, in den Bund hinein. Viele neue Ideen entstanden. Der Ruf nach einem Öko-Zentrum. Biologische Landwirtschaft und Vermarktung. Der Bundschuh als Genossenschaft entstand. Horst Oellers betrat das Kampfgelände.
Daimler-Benz geriet aufgrund des entflammten Widerstandes in die publizistische Defensive. Was als Überrumpelung geplant war, litt schnell an eigenen Schwächen. Wer nicht das Gespräch suchte, sondern schnelle Vor-Entscheidungen, wurde nun vor einen konfrontativen Gegner gestellt, der oft einige Schritte voraus war. Man entsandte einen Boxberg-Beauftragten für Daimler-Benz. Der bei einer überstürzten Flucht aus dem Schwabhäuser Gemeindehaus seine Aktentasche verlor. Eine mit brisantem Inhalt. Eine rechtliche Einschätzung zeigte die Schwäche der Daimler-Position auf. Und gab dem langen juristischen Kampf des Bundschuhs Recht. Auf einer Liste hatte der Bürgermeister die Einwohner in Gegner oder Befürworter klassifiziert. Angekündigte Strukturmaßnahmen von Daimler-Benz für diesen Raum gipfelten in der Erörterung, einige hundert Bocksbeutel tauberfränkischen Weines für die Stuttgarter Zentrale zu ordern. Trotz massiven Polizeieinsatzes fanden die "Boxberg-Papers" den Weg in die deutsche Presse. Daimler-Benz geriet in eine prekäre Defensive. Und versuchte über Arbeitsplatzversprechen nachzubessern. Waren es erst 150 Arbeitsplätze, stieg die Zahl auf 500, auf 1000 an.
Der Widerstand gegen die Teststrecke zeigt auch ein selten großartiges ästhetisches Ergebnis: Die Fotografin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Barbara Klemm - fotografierte die Bauern des Bundschuhs, in Bildern, die es so noch nie gab. Schwarz-weiß. In ihrer Ländlichkeit, Schwabhäuserlichkeit. Privat. Im Garten. Zusammen im Zeichen des Pfluges. Im Widerstand. Als Menschen, die ihre Heimat, ihre Gemarkung verteidigen. Unglaublich gut. Das wäre noch ein Projekt, einen extra Fotoband mit diesen sensationell guten Bildern zu publizieren.
Günther E. Ascher: Faszination Jakobsweg "Main-Taubertal". Eine Pilgerreise in 9 Etappen von Miltenberg am Main nach Rothenburg ob der Tauber. Verlag Regionalkultur. Ubstadt-Weiher - Heidelberg - Neustadt a. d. W. - Basel. 2015
Grundsätzlich nervt die Jakobs-Wegelagerei ziemlich. Der Muschel kann man im Main-Tauber-Kreis kaum noch entkommen. Fast jeder Baum, jeder Weg ist verjakobst. Man hat das Gefühl, hier findet total einvernehmende Resteverwertung statt. Um auch jede entlegene Gemeinde, die bisher noch nicht in eine touristische Vermarktung einbezogen werden konnte, nun auch zu beglücken. Deshalb ließ ich Jahre lang die ganze "Ich bin mal auf dem Jakobsweg weg"-Bewegung einfach links liegen. Und schüttelte nur den Kopf über die enorme Schilderüberflutung der Gemarkungsflächen. Der Pilgerzug hatte für einen aus biographischen Gründen nur eine Richtung: Heidingsfeld - Walldürn, in Tauberbischofsheim den Stammberg hoch und fertig. Man nahm da früher noch Pilger zur Übernachtung im eigenen Haus auf. Ein weiterer Bedarf an Pilgerei stellte sich nicht ein. Keine Lust auf Pilgerei im Zeichen der Muschel.
Erst als man das Buch des ehemaligen Baustoffhändlers Günther Ascher - in Wertheim geboren, in Tauberbischofsheim lange Zeit wohnend - in die Hände nahm, wurde es mit diesem Thema ernster. Beim Ascher auf dem Brenner kaufte man früher gelegentlich ein. Wobei der Weg zur "Gräfin", zum Erbacher einfach näher war. Beim ersten Durchblättern faszinierten einen allerdings die exzellenten Bilder, die von Ascher gemachten Fotos weit mehr. Da er sich hier nicht streng an das Thema hielt, sondern munter thematisch querbeet den Main-Tauber-Kreis ins Ziel nahm. Auch wenn viele der Fotos nicht jahreszeitlich korrekt zu dem Zeitpunkt gemacht wurden, als Ascher die Pilgerreise auf regionalem Heimatboden unternahm. Nämlich irgendwann Januar - März 2012. Die Bilder, die den Autor auf Pilgerwanderung zeigen, weisen allerdings auch andere Jahreszeiten auf. Er bediente sich wohl aus seinem eigenen zu verschiedenen Jahreszeiten gemachten Aufnahmenfundus im Main-Tauber-Kreis und in der Rothenburger Landwehr. Das schadet dem Buch nicht, erweitert es vielmehr über die enge Begrenzung Jakobsweg hinaus. Denn Ascher kann gut fotographieren. Das macht das Buch fast zu einem Selbstläufer. Zumal es einige Schwächen aufweist.
Die Schwächen liegen an einem gewissen Textmangel. Des vom Verfasser verfaßten. Schriftlicher Output des Autors tritt in diesem opulent gestalteten Buch sehr weit zurück. Viel Platz wird den eher banalen Texten aus der touristischen Information eingeräumt. Es gibt kurze Streckenbeschreibungen der Etappen, kleine Bemerkungen zu Bildern. Die Spurensuche nach dem Jakob, nach Bildern, Statuen oder Abbildungen der Jakobsmuscheln ist ja durchaus begrenzt. Auf Kirchen, die Jakob gewidmet sind, Altären, die Jakob mit aufnehmen. Selten eine Säule mit Jakob und Muschel und Entfernungsangabe nach Santiago de Compostela, oder Muschelmosaik als Jahresangabe. Leider hat der Autor bei seiner Spurensuche auch einige der Jakobszeichen glatt übersehen. Zum Beispiel die Muschel in der Pieta des Hochhäuser Friedhofeinganges, an der Tauberbischofsheimer Liobakirche, die Muschel über den Köpfen zweier Gehörnten des Riederngrabmales, das Riedernepitaph besitzt weitere vier Muschelplätze, die Kanzel Stadtkirche als Muschelrefugium, das Casa Rotti Ecke Gerbergasse (Muschelstele ohne Statue), die Muschel über der Statue Ecke Martinsgasse / Hauptstrasse, der Bildstock Hochhäuser Straße (gegen über ehem. Kohlen-Karges), bei der Bildstockpieta Maria mit dem Leichnam Jesus unterhalb des Konvikts. Also direkt bei der Jakobsmuschel-Stempelstelle. Da hat es etwas an Sorgfalt gemangelt. Oder der Autor hat sich zuviel an Rastzeiten gegönnt, in denen er sich durchaus gern im Buch abbildet. Augen auf bei der Jakobs-Muschel-Pilgerei, auch wenn Pilgern Beten mit den Füßen heißt!
Dass der Autor sich nicht streng puristisch am Jakobsthema orientiert, macht das Buch anschauenswert. Es ist also mehr ein Buch der Regionalkultur. Eine Pilgerfahrt, Pilgerwanderung kann heute sowieso nur soziokulturell erweitert verstanden, durchgeführt werden. Der alte Kult und Ritus ist vorbei, damit bringt man heute keinen mehr auf einem Wanderweg pilgernd vorwärts. Das alte Erkundungsprinzip "Berge von unten, Kirchen von außen, Wirtschaften von innen" gilt auf der Jakobsherumpilgerei auch nicht mehr. Dazu gibt es auf den Etappen einige kräftige Berganstiege. Und in die Kirchen muss man auch rein, um an Jakob und seine Muscheln überhaupt heranzukommen. Denn es gibt zuwenige Bildstöcke, zuwenige Außenpieten, die an ihn erinnern. Die Etappen sind so eingerichtet, dass man möglichst nicht vorwärts kommt in Richtung Santiago de Compostela. Am Besten im Main-Tauber-Gebiet verbleibt. Also noch eine Schleife nach links, nach rechts, oder gar wieder zurück. Immerhin wird so auch ein sozialkirchlicher Revolutionär wie der Pfeifer Hans im Pilgerzug bedacht. Kein schlechter Zug. Eher bedenklich dass bei der Etappe Gamburg - Tauberbischofsheim, die einen schweren Schlenker über Impfingen - Dienstadt - Königheim macht, die einmalige Blaugrashalde am steilen Stammberg vom Autor unbeachtet, unfotografiert bleibt. Dieser war wohl in Gedanken schon im Anlaufen der nächste Stempelstelle. Denn auch die Jakobspilgerei benötigt ihren bezeugenden Muschelstempel für jede Etappe an einer beglaubigten Stempelstelle. Dafür bildet der Autor wunderbar gern sonst oft Übersehenes ab, wie den Stundenstein, der die Entfernung nach Eichel und Reicholzheim angibt, obwohl beide Orte von der Jakobspilgerei links und rechts liegen gelassen werden. Aber den alten badischen Stundenstein lob ich mir mit seiner Verstellungskunst. Nicht Zeitangabe, wie man leicht glauben möchte, sondern Entfernungsmaß. Wieviele badische Stunden sind es nach Santiago de Compostela? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich zukünftig viel mehr Jakobisieren werde als früher. Oder heiß das Jakobinern? Was ich auch noch nicht weiß nach Lektüre des Buches, ob der Jakobsweg im Main-Tauber-Weg irgendwie was historisches hat. Oder einfach neu kompiliert wurde, da überall ein Jakobsweg sein muss. Ein Buch, in dem ich sicher weiterhin gerne herum schmökern werde.
Heimatverein Dittigheim e.V.: Kulturdenkmale und sonstige Sehenswürdigkeiten auf der Gemarkung Dittigheim / Hof Steinbach, Dittigheim 2015
Flurdenkmale wie Bildstöcke, Sühnekreuze, Feldkreuze, Träubelesbildstöcke, Feldkapellen, Statuen usw. waren schon immer ein besonderes Thema der Lokalgeschichte, von Publikationen, Bildbänden. Nun auch des Dittigheimer Heimatvereins, der das Thema um sonstige Sehenswürdigkeiten erweitert. Eine alte Flurkarte von 1930 eröffnet den Blick auf die Gemarkung von Dittigheim mit zugehörigem Hof Steinbach. Die alte Gemarkungsgrenze mit roter Farbe nachgezeichnet. Eine lange Zeit eine sehr stolze Gemeinde mit Eigensinn, die sich durchaus erfolgreich von der nahen Kreisstadt Tauberbischofsheim abgrenzte. Obwohl die Dittigheimer Gemarkung mit Höhberg sich der Tauberbischofsheimer Bebauung ziemlich näherte. Für den "Büschemer" ist der Höhberg sowieso fast ein Büschemer und keiner der zu Dittigheim gehörte. In den Tauberwiesen trafen sich früher die Jugend von Dittiche und Büscheme zum Kriegspielen.
Charakteristisch ist für eine Taubertalgemeinde, dass der Gemarkungsanteil im Bereich der Tauber eher schmal ist. Sich dagegen die Gemarkungsgrenze weit nach Osten und Westen öffnet. Ob ein kleiner Bereich beim Bismarckturm nicht doch zur Gemarkung Bischofsheim gehörte? Gemarkungsgrenzsteine weisen dort darauf hin. Leider hat man nur drei der Grenzsteine bildlich erfasst. Die Reste des Wart- und Geleitturmes auf dem Höhberg waren leider keine Erwähnung wert. Auf der Flurkarte sind noch viele Steinriegel eingezeichnet. Über sie geht das Bändchen mit Nichtachtung hinweg. Das fehlt dem Band etwas, die Abbildung und Beschreibung der interessanten Kleinlandschaften auf der Gemarkungsfläche. Die Geiershöhlen z. B.! Da ist noch Raum für einen weiteren Band.
Das älteste Flurdenkmal ist das Sühnekreuz von 1491 am Rand des Brückenwaldes, beim Taubental, mit der halbierten 8 als 4. Inzwischen gesäubert wieder gut lesbar. Das Wetterkreuz sicherlich das markanteste, und bekannteste Kulturdenkmal auf Dittigheimer Gemarkung, als Fünfmärker, als gemeinsamer Grenzpunkt von Dittigheim, Distelhausen, Lauda, Dittwar und Oberlauda. Selten der auf einer Platte ruhende Christus, auch als Schmerzensmann bekannt. Früher beim Geiersberg.
Schade dass von der Wiesenbewässerungsanlage nur eine Wiesenwässerungsfalle mit Foto ausgezeichnet wird. Die ganze Anlage, mit Kanälen, Brücke ist als Kleinlandschaft sehenswürdig. Leider werden auch nur wenige Gebäude im Ort selbst im Band aufgenommen. Der Ort hat durch einen großen Brand viel seiner historischen, fachwerklichen Bausubstanz verloren. Der jüdische Traustein an der ehemaligen Synagoge, etwas versteckt, ist eine der wichtigsten Dittigheimer Erinnerungen. Reichlich Platz nehmen die Jesus- und Mariastatuen an den Häusern und Höfen ein, die viel zu oft unbeachtet bleiben, bei Neubauten gern verschwinden.
Lokalstolz zeigt sich bei den Fotografien von Kindergarten, Turnhalle, Spielplatz, die man nicht unbedingt zu den Sehenswürdigkeiten aus touristischer Sicht zählen wird. Aber aus der einheimischen Sicht verständlich sind. Seht, was wir alles so in unserem Ort haben. Dazu gehören auch die Abbildungen der Gastwirtschaften und deren Schilder. Es gibt ja genug Dörfer, die keine vergleichbare Infrastruktur mehr haben.